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Maedchengrab

Maedchengrab

Titel: Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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schwor er sich, würde er dem alten Schlachtross eine Rundumwartung und Autowäsche spendieren als kleine Belohnung für die Strapazen. Rebus fuhr, trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad, während im CD -Player Nazareth lief. Eigentlich dachte er an nichts anderes als an die Fahrt und deren Abschnitte: an das Ende eines bestimmten zweispurigen Streckenabschnitts; an Besonderheiten wie die Baustelle bei Pitlochry und das House of Bruar; inzwischen vertraute Schilder wiesen ihm den Weg zu Orten, die er höchstwahrscheinlich niemals aufsuchen würde, wie Waltzing Waters und Killiecrankie. Auf den meisten Ber gen lag immer noch eine recht anständige Schneedecke. Schafe grasten unbeirrt der vorüberziehenden LKW , Transporter und Autos. Rebus erinnerte sich an Siobhan Clarkes Worte auf dem Weg zum Chanonry Point: Ist schon ein komisches kleines Land … Ich versteh’s immer noch nicht. Sie hatte ihm vorgeworfen, empfindlich zu sein – dabei war das doch eine ganz natürliche Reaktion, eigentlich war er ja ihrer Meinung. Eine Nation von fünf Millionen Einwohnern, die sich dicht zusammendrängten, als ließen sie sich von den Elementen und der Ungeheuerlichkeit der sie umgebenden Landschaft einschüchtern, klammerte sich an Vorstellungen von einer Gemeinschaft und einer gemeinsamen Geschichte, wie sie in dem Buch beschrieben wurden, das ihm Nina Hazlitt geschenkt hatte. Selbst der böse schwarze Mann hatte seine Funktion, denn wenn es ihn gab, dann musste es »uns« auch geben, die wir uns von ihm abgrenzten, und wenn es ihn gab, dann war da jemand, dem man die Schuld geben konnte …
    Aviemore.
    Inverness.
    Kessock Bridge.
    Dann Munlochy, Avoch, Fortrose.
    Endlich erreichte er sein Ziel: die Häuserreihe direkt an der Küste in Rosemarkie.
    Keine Spur von Gregor Magrath auf der Sonnenveranda. Der altehrwürdige olivgrüne Landrover parkte an derselben Stelle wie zuvor. Rebus klopfte an die Tür des Cottage und wartete. Als niemand öffnete, spähte er durch das Wohnzimmerfenster, konnte aber keine Bewegung erkennen, nur schemenhaft die gerahmten Fotos im Bücherregal. Er richtete sich wieder auf, kämpfte gegen die Elemente, um sich eine Zigarette anzuzünden, dann stellte er sich neben den abkühlenden Saab und blickte aufs gegenüberliegende Ufer. Ein Hund bellte am Strand, von Rebus aus gesehen irgendwo weiter rechts, sein Herrchen hinkte einige Dutzend Meter hinterher. Am Wasser stand jemand. Rebus schirmte seine Augen mit der Hand ab und sah einen Mann am Saum der heranrollenden Wellen. Er machte sich nicht die Mühe, den Wagen abzuschließen, sondern ging dem Mann entgegen, während der Wind ihm Sand ins Gesicht blies.
    »Mr Magrath!«, rief Rebus. Magrath drehte sich zu ihm um, schien ihn aber nicht zu erkennen. Er hatte Rebus schon wieder den Rücken zugekehrt, als dieser ihn ein zweites Mal rief.
    »Sie schon wieder.« Magrath klang gereizt. Er bohrte eine seiner Schuhspitzen in den feuchten Sand, sah zu, wie sich das Loch mit Meerwasser füllte.
    » Was ist los?«, fragte Rebus. »Können Sie’s nicht ertragen, mir in die Augen zu sehen?«
    Magrath nahm die Herausforderung an, die beiden Männer standen einen Augenblick lang schweigend da.
    » Wie kommt es, dass niemand etwas von Ihrem Bruder weiß?«, erkundigte sich Rebus mit gesenkter Stimme.
    »Kenny? Den kennt jeder.«
    Rebus nickte. »Hier oben vielleicht. Aber immer wenn Sie mit Peter Bliss telefoniert haben … Und all die Jahre bei der SCRU … Und auch als Bliss Sie besucht hat und ich neulich bei Ihnen war …« Magrath hatte den Blick wieder abgewandt, sein Interesse galt nun dem Strand unter seinen Füßen. Er machte den Mund auf, sagte aber nichts. Zu hören war einzig das Rauschen von Wind und Wellen.
    »Sie haben sich immer sehr für die Fälle bei der SCRU interessiert und Ihren Freund Bliss darüber ausgefragt.«
    »Schließlich hab ich die Abteilung ins Leben gerufen«, meinte Magrath.
    »Das haben Sie«, pflichtete ihm Rebus bei. »Aber ich glaube, da steckt noch was anderes dahinter. Eine Frau namens Nina Hazlitt kommt eines Tages zu Ihnen ins Büro, und wenig später verabschieden Sie sich in den Ruhestand – zu jedermanns Überraschung. Die SCRU ist Ihr Baby, aber plötzlich wollen Sie es nicht mehr. Sie ziehen in den Norden, in die Nähe Ihres Bruders. Nur verraten Sie das niemandem, nicht mal sein Name fällt …« Da Magrath nichts sagte, fuhr Rebus fort.
    »Nina Hazlitt kam zu Ihnen, weil sie dachte, sie hätte einen Zusammenhang

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