Maedchengrab
Mund aufmachen und etwas in diesem Sinne sagen wollte …
»Transporter!«, rief Clarke. Er fuhr denselben Weg zurück, den er gekommen war, der Schriftzug MAGRATH war deutlich zu lesen. Die Gestalt hinter dem Lenkrad aber war nicht Kenny Magrath – zu klein, zu drahtig. Der schwarze Mercedes folgte nur wenige Sekunden später, die Insassen waren kaum zu erkennen. Clarke fuhr mit Abstand hinterher. Als ein Lieferwagen hinter ihr aufschloss, bremste sie ab, um ihn überholen zu lassen. Sie schaute auf die Straßenkarte, wusste, dass der Mercedes nur wenige Möglichkeiten hatte. Es gab bestimmte Manöver, anhand deren sich ein Fahrer vergewissern konnte, dass er nicht verfolgt wurde – langsam fahren und ausrollen lassen; an den Straßenrand fahren und abwarten; kehrtmachen und eine andere Strecke nehmen. Aber jetzt gerade war der Audi hinter dem Lieferwagen versteckt.
Die erste echte Entscheidung musste bei Munlochy getroffen werden. Der Mercedes blieb auf der A832.
»Die nächste riskante Stelle kommt beim Kreisverkehr in Tore«, sagte Rebus. »Dann geht’s vermutlich über die A9 Richtung Süden.«
»Falls du den richtigen Riecher hast«, bremste ihn Clarke.
»So wenig Vertrauen.« Rebus gelang der Anflug eines Lächelns, aber Clarke wusste, dass er nervös war – er umklammerte den Griff der Beifahrertür nicht wegen ihres Fahrstils.
Als sie den zweispurigen Streckenabschnitt erreichten, folgte der Konvoi den Schildern nach Inverness. Rebus reckte den Hals, um zu sehen, was vor dem Lieferwagen vor sich ging.
»Die rauschen ab«, teilte er Clarke mit, woraufhin sie blinkte, ausscherte und zum Überholen ansetzte. Der Mercedes war an dem Transporter vorbeigezogen, schien aber möglichst nah bei ihm bleiben zu wollen.
»Die können Magrath auch just in diesem Moment schon den Hals umdrehen, weißt du das?«, meinte Clarke.
»Können sie«, gab ihr Rebus recht.
»Zum Schluss stehen wir vielleicht mit nichts da außer einer Leiche.«
»Schon möglich.«
» Würde dich wahrscheinlich kaum um den Schlaf bringen.«
»Ich bin kein Unmensch, Siobhan – aber wahrscheinlich würde ich es verschmerzen …«
Über die Kessock Bridge und nach Inverness rein, immer auf der A9 und dann Richtung Süden aus der Stadt raus.
»So weit, so gut«, sagte Clarke leise wie zu sich selbst.
» Willst du die ganze Strecke an ihnen dranbleiben?«
» Warte mal noch ein oder zwei Meilen.«
Danach trat sie aufs Gas, lenkte den Audi auf die äußere Spur und überholte schließlich den Transporter, fädelte sich zwischen ihn und den Mercedes ein, beschleunigte anschließend erneut und überholte auch diesen. Der Tacho zeigte 150 km/h an, als sie die Scheinwerfer hinter sich zurückfallen sah.
»Die bleiben konstant auf knapp über 100.«
» Wollen schließlich nicht rausgewunken werden, oder?«, meinte Rebus.
Ein paar Meilen weiter kündigte ein Schild eine Haltebucht an. Clarke stellte sich hinter einen Sattelschlepper, der über Nacht dort parkte. Sie machte die Scheinwerfer aus und rutschte tiefer auf ihrem Sitz. Rebus tat es ihr gleich. Er spürte den Schweiß auf seinem Rücken, sein Hemd klebte.
»Da kommen sie«, sagte Clarke, den Außenspiegel fest im Blick. Nicht nur der Mercedes und der Transporter, sondern noch einige andere Fahrzeuge dahinter. Es war jetzt vollständig dunkel, sie konnten den Audi nicht gesehen haben, nicht bei dem Tempo, das der Konvoi draufhatte. Clarke schaltete das Licht wieder an und fuhr erneut auf die Straße.
»Auf der Strecke gibt’s mehr als genug Möglichkeiten, eine Leiche verschwinden zu lassen«, meinte sie.
»Ihm fehlt die Erfahrung, Siobhan. Irgendetwas sagt mir, dass er sich an das halten wird, was er kennt, an die Orte, die man ihm gezeigt hat oder von denen er gehört hat.«
Zwanzig Minuten später fuhren sie an einem Schild vorbei, das den Weg nach Aviemore wies.
» Wo alles begann«, meinte Siobhan Clarke.
» Wahrscheinlich«, erwiderte Rebus und sah ein paar Schneeflocken vom Himmel fallen. Zwei Wagen blinkten links.
»Der Mercedes?«, riet Clarke.
»Ich würde Geld drauf wetten – allerdings nicht unbedingt mein eigenes.«
Doch der Mercedes bog ab, während der Transporter weiter auf der A9 blieb, seiner Verabredung auf dem Schrottplatz oder Ähnlichem entgegenfuhr.
»Und wir sind sicher, dass Magrath nicht gefesselt hinten in seinem eigenen Transporter liegt?«, fragte Clarke.
»So sicher, wie wir sein können.«
Der Audi folgte dem Mercedes noch immer
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