Mädchenhass und Jungenliebe (Junge Liebe )
Mutter traute ihren Ohren nicht, als ich ihr erzählte, dass ich vom Unterricht suspendiert sei.
„Das kann doch alles nur ein schlechter Scherz sein.“
Aber da musste ich sie enttäuschen. „Nein, das meinen die ernst.“
„Ich fahr am Montag früh in die Schule und dann mach ich denen mal ein bisschen Dampf. Für wen oder was halten die sich denn? Einfach so einen unschuldigen Schüler rauszuschmeißen ...“
Sie löschte ihre Zigarette und zündete sich nervös eine neue an.
„Wenn ich damals gewusst hätte, was für ein Monster diese Lara ist, dann hätte ich niemals zugestimmt, dass sie deine Freundin wird.“
„Krieg ich auch eine?“, fragte ich mit dem Zeigefinger auf der Zigarettenschachtel.
„Klar. Wenn du eh heimlich rauchst, dann kann ich dir auch mal eine abgeben.“
„Wie kommst du denn darauf, dass ich heimlich rauche?“, fragte ich, während ich mir die Zigarette anzündete.
„Deine Mutter ist Kriminalistin. Vergiss das nicht.“
Damit war für uns beide dieses Thema abgehakt. Verständlich, wo wir doch wesentlich größere Sorgen hatten.
Natürlich war meine Mutter in der Schule und natürlich hatte das keinen Einfluss auf meine Suspendierung.
So entwickelte ich mich immer weiter ins Negative. Ich schlief morgens lange aus, trank manchmal schon vormittags Wodka und stellte mir schmunzelnd die Gerling vor, die sich jetzt in ihrer Meinung von mir - ich sei ein brutaler Vergewaltiger oder Killer oder einfach nur ‚Gangster' - bestätigt fühlte. Vor allem dachte ich natürlich an Henning. Ich war wohl zu seinem Feindbild Nummer Eins aufgestiegen. Wenn Laras Familie selber glaubte, dass ich sie vergewaltigt hätte, dann brauchte er keine eigene Meinung mehr.
Für pervers hatte er mich ja immer schon gehalten.
Eine Woche war ich schon nicht zur Schule gegangen. Eine Woche lang war meine Mutter mein einziger zwischenmenschlicher Kontakt.
Was mich störte war, dass sie über die Ermittlungen gegen mich bestens Bescheid wusste, ohne mich in Kenntnis zu setzen.
Ich entschied mich, zu versuchen, meine Verbindung zur Außenwelt wenigstens ansatzweise wieder herzustellen und rief Lukas an. Das Gespräch verlief kurz und frustrierend.
„Hi, Lukas, David hier“, sagte ich, als er rangegangen war.
„Sorry, Alter, aber wenn das alles stimmt, was die sagen, dann will ich nichts mehr mit dir zu tun haben.“
Dann legte er auf.
Super, dachte ich. Wieder ein Freund weniger. Da merkte ich zum ersten Mal, wie gefühlskalt die Liebe mich gemacht hatte.
Es rührten sich in mir keine Emotionen, als ich meinen besten Freund mehr oder weniger verloren hatte.
All meine Gefühle, Sinne und Gedanken waren nur noch auf Henning konzentriert.
Ich hatte immer gedacht, die Liebe könnte mich nicht umbringen, aber ein Leben war das auch nicht mehr, was ich da hatte. Und für einen Bruchteil einer Sekunde dachte ich daran, dass ich, als ich auf der Brücke stand, doch die Möglichkeit gehabt hatte, zu springen.
Aber es lohnte sich zu leben, um Henning zu lieben - das schönste und schmerzhafteste Gefühl zugleich.
Kapitel 15
Knapp drei Wochen später kam der Brief vom Gericht.
Ich hatte schon damit gerechnet, dass sich dieser Prozess über mehrere Monate oder sogar ein ganzes Jahr hinziehen würde. Man hört ja immer wieder über Verurteilungen von Leuten, deren Straftaten sogar einige Jahre zurückliegen. Mir kam schon der Gedanke, ein Jahr nicht in die Schule gehen zu können, ein Jahr lang von allen als Verbrecher angesehen zu werden, ein Jahr lang keine sozialen Kontakte mehr zu haben - und, was wohl mit Abstand das Furchtbarste gewesen wäre: Ein Jahr lang Henning nicht sehen zu können. Das wäre für mich die schrecklichste Strafe von allen gewesen.
Zum Glück aber wurden die Prozesse im Jugendstrafrecht seit einiger Zeit stark beschleunigt. Da konnte ich das, was ich diese spießigen Politiker immer quatschen hörte, endlich mal am eigenen Leibe spüren, auch wenn ich mir da eine angenehmere Situation für mich hätte vorstellen können.
So vergingen also nur drei Wochen. Es waren drei Wochen mit dem Inhalt einer Minute. Ich hatte jegliches Gefühl für die verstreichende Zeit verloren.
Alle paar Tage waren die Kommissare erschienen oder ich musste ins Polizeipräsidium - stets in Begleitung meiner Mutter und meines Anwalts, dem sympathischen, wenn auch zeitweise etwas unbeholfen wirkenden Herrn Schmitz.
Die Sache selbst war recht klar: Lara warf mir
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