Mädchenhass und Jungenliebe (Junge Liebe )
Vergewaltigung vor und sie hatte ihre Familie als Zeugen dafür, dass sie völlig aufgelöst nach Hause gekommen war und sich über die Tage immer mehr verändert hatte, bis sie schließlich voller Scham und offenbar auch äußerst glaubwürdig, diese schreckliche Geschichte erzählte. Ich hingegen hatte keinen Fürsprecher für meine Version und deshalb kam die Sache vor Gericht.
Ich fühlte mich immer noch wie im Traum. Die Vorstellung, auf der Anklagebank zu sitzen und das auch noch wegen Vergewaltigung an dem Mädchen, dass ich ein halbes Jahr vorher noch aufrichtig geliebt hatte, schien mir einfach zu irreal.
Wie real sie tatsächlich war, wurde mir auch am Mittwochmorgen nur langsam klar, als ich früh aufstand und mich fertig machte, um mit meiner Mutter und Karl-Heinz nach Düsseldorf zum Landgericht zu fahren - selbstredend standesgemäß für einen Anwalt mit seinem schwarzen Mercedes E400.
Karl-Heinz klingelte eigentlich viel zu früh an unserer Tür. Das hatte zur Folge, dass wir so rechtzeitig losfahren konnten, um eine Viertelstunde vor dem Prozessbeginn um neun Uhr dort zu sein. Während der Fahrt redete Herr Schmitz ununterbrochen davon, was für einen schlechten Eindruck es machen würde, als Angeklagter zu spät zu kommen.
Mir war's egal, Hauptsache, ich kam aus dieser Sache heil raus. Bisher kannte ich nur die Gerichts-Shows aus dem Fernsehen.
Da wurde am Ende zwar immer der Richtige verurteilt, aber ob das im wirklichen Leben auch so war, bezweifelte ich.
Noch immer hatte ich nicht vor Augen, wie nah ich in diesem Moment einer mehrjährigen Haftstrafe war.
Ich dachte nur an Henning.
Drei Wochen hatte ich ihn nicht gesehen. Drei Wochen lang hatte ich nicht diesen Schauder gespürt, der mich immer überkam, wenn ich ihn sah.
Meine Mutter, mein Anwalt und ich rauchten noch eine Zigarette in der Raucherecke im Eingangsbereich.
Von meinem Anwalt geführt, gingen wir durch die Gänge. Ich kannte kein Gebäude, das unübersichtlicher war.
Treppe auf, ein paar Gänge entlang, Treppe ab, wieder ein paar Gänge, bis wir da waren.
Meine Nervosität stieg.
Die Tür des Sitzungssaals stand offen, ein Justizangestellter erwartete uns an der Tür und führte uns hinein.
„Frau Kreutzer, die Verhandlung ist ja nicht öffentlich. Sie als Erziehungsberechtigte können aber selbstverständlich anwesend sein. Nehmen Sie doch bitte dort hinten Platz.“
Mit einer weit ausholenden Bewegung seines rechten Arms wies er auf die fünf Stühle, die gegenüber vom Richtertisch an der Wand standen.
Meine Mutter legte mir ihre feste Hand auf die Schulter, drückte aufmunternd zu und begab sich zu der tristen Stuhlreihe.
Ich folgte Herrn Schmitz und wir nahmen auf der Anklagebank Platz. Aus dem Augenwinkel konnte ich noch erkennen, dass sie sich auf den mittleren Stuhl setzte und ihre Arme lässig über die Rückenlehnen der benachbarten Stühle legte. Herr Schmitz streifte sich schnell noch seine Robe über und setzte sich dann neben mich. Er begann seinen Aktenkoffer zu durchwühlen, bis er die richtige Akte gefunden hatte. Er schlug sie auf, schien aber nicht zu lesen. Er sah eher aus, als schaute er sich geistesabwesend irgendwelche Bilder an, jedoch gab es gar keine, so weit ich wusste.
Ich selber saß nur da und starrte ins Nichts. Ich hatte ein reines Gewissen, aber ob mir das helfen würde, war mehr als fraglich.
Die Staatsanwältin erinnerte mich etwas an unsere Frau Gerling.
Sie war, wie die Gerling, klein und dick, allerdings noch etwas jünger und ihr starrer Blick war auch nicht der einer überforderten, aber dann doch irgendwie noch harmlosen Gymnasiallehrerin, sondern einer todernsten Frau, die ihr gesamtes Leben dem Kampf für die Gerechtigkeit gewidmet hatte.
Sie nahm auf der gegenüberliegenden Seite Platz und begann, Akten auf dem Tisch zu sortieren.
Faszinierend, was sich in einem Monat Ermittlungsarbeit gegen mich alles so angesammelt hatte.
Der kurze Blick auf die Uhr verriet mir, dass es in wenigen Minuten losginge. Herr Schmitz gab noch einige kurze Erklärungen von sich, die ich mir zwar gerne anhörte, auch wenn diese nicht dafür sorgten, dass ich besser informiert war.
„Die Staatsanwältin ist Frau Dr. Kellinghaus. Mit der ist nicht zu spaßen. Aber du hast Glück. Richter Winter hat den Vorsitz. Er gehört zu den milderen Jugendrichtern.“
Bei diesen Motivationsfähigkeiten konnte ich nur hoffen, dass er als Anwalt bessere Fähigkeiten beweisen
Weitere Kostenlose Bücher