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Maedchenlose

Titel: Maedchenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Augusti
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beständig war. In der Nacht erwachte ich mehrmals von dem unheimlichen Heulen des Sturmes, der sich am Morgen zu einem rasenden Orkan steigerte. Es war ein trauriger Anblick, wie er in den Kronen der alten Bäume wütete und sie zerzauste, daß bald der ganze Boden mit Blättern und abgerissenen Zweigen bedeckt war; wie er die schlanken Stämme der jungen Bäumchen bog, bis sie die Erde berührten und mit wilder Wut alle Blüten von den Gesträuchen riß. Es war, als ob die ganze Natur in heftigem Schmerze ächze und stöhne; mir wurde sehr bange ums Herz, ich konnte es allein in meiner Stube nichtaushalten und flüchtete zu Rose. Sie war ernster, als gewöhnlich; lange standen wir schweigend am Fenster und sahen dem Toben des Sturmes auf dem Hofe zu, wo die Dächer der strohgedeckten Gebäude immer ärgere Lücken zeigten und dichte Staubwolken, mit Strohbündeln und kleinen Steinen vermischt, die Luft verdunkelten.
    »Gott verhüte nur in Gnaden, daß heute irgendwo Feuer ausbricht«, sagte Rose, »ich habe es einmal erlebt, daß an einem ähnlichen Sturmtage ein halber Stadtteil niederbrannte, und mein Leben lang vergesse ich nicht den furchtbaren Anblick der lodernden Flammen und das entsetzliche Geschrei der Unglücklichen, die davon betroffen waren.« Sie hatte kaum ausgesprochen, als Herr v. Rothenburg auf den Hof gejagt kam, das Pferd mit Schaum bedeckt, das Haar vom Winde zerzaust. Er band den Schimmel in einer geschützten Ecke fest und kam, so schnell er konnte, auf das Haus zu. »Es ist ein Unglück geschehen«, rief Rose und lief nach der Hausthür, um sie zu öffnen. Ich hörte, wie Rothenburg atemlos nach dem Prinzipal fragte: »es ist Feuer im Nachbardorf, wir müssen sofort Hilfe schicken.« Rose sagte ihm, Herr Klingemann sei drüben im großen Stall – im nächsten Augenblick arbeitete er sich dorthin durch. Es dauerte nicht lange, so entstand ein Laufen und Rufen auf dem Hofe; nach kurzer Zeit rasselte die Feuerspritze ab, mit vier Pferden bespannt und mit zahlreicher Mannschaft versehen; Herr v. Rothenburg und ein jüngerer Beamter folgten auf einem Bretterwagen. Zitternd vor Angst und Schrecken gingen wir zu FrauKlingemann hinüber, wir fanden den Hausherrn dort, der mit ernster Miene im Zimmer auf und ab ging. »Ich selbst kann nicht fort«, sagte er eben, »auch uns kann ein Unglück treffen; wir müssen bei solchem Orkan auf alles gefaßt sein.«
    Es war ein düstrer Tag; keiner konnte etwas Rechtes vornehmen, das Heulen des Sturmes störte jede Beschäftigung; man sah nur immer voll Angst heraus, ob auch nicht etwas Unerwartetes geschehe. Niemand wagte unbefangen zu sprechen, die Kinder drängten sich nach den Stunden zusammen, wie ein Häuschen geängstigter Küchlein; wer in ein anderes Zimmer gehen mußte, nahm sich noch jemand zum Trost mit. Der arme Bruno war sehr elend und lag zu Bett; Frau Klingemann saß fast immer bei ihm. Beim Vespern schlug Fräulein Lietzner vor, wir übrigen wollten alle zusammen bleiben und uns etwas vorlesen. Wir scharten uns um sie, Rose und ich lasen abwechselnd aus den »Erinnerungen eines alten Mannes« von Kügelgen, das fesselte die Gedanken und zerstreute uns etwas. Allmählich ließ der Sturm nach, doch war es draußen trübe und düster, obgleich die Sonne noch hoch am Himmel stehen mußte.
    Plötzlich hörte man einen Wagen rollen und vor dem Hause halten; alle sprangen auf und eilten an die Thür. Es war der Bretterwagen, mit dem die beiden Herren fortgefahren waren; auf Stroh gebettet lag eine leichenblasse Frau darauf, ein kleines Mädchen kauerte zu ihren Füßen – das Ganze sah unbeschreiblich traurig aus.
    »Was ist geschehen?« sagte Fräulein Lietzner.
    »Die Frau ist schwer verletzt«, erwiederte Herr v. Rothenburg in fliegender Eile, »ihr Haus niedergebrannt, wenig gerettet, dort konnte sie nicht bleiben, kann sie hier untergebracht werden?«
    Fräulein Lietzner eilte zu kurzer Rücksprache zu Frau Klingemann; schleunigst wurde in einer unbewohnten Stube ein Bett bereitet; wir alle halfen, so gut wir konnten; alle Dienstboten wurden gerufen, um die arme Kranke auf ihr Lager zu tragen. Sie stöhnte leise, wie in großen Schmerzen, und verlor das Bewußtsein.
    »Hier können wir nichts thun«, sagte Rose zu mir, »wir wollen das Kind an uns nehmen.«
    Die arme Kleine war auch fast ohnmächtig; wir trugen sie in Rosens Zimmer und legten sie auf das Sofa, rieben ihr Hände und Füße und flößten ihr etwas Wein ein. Sie brach zuerst in

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