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Maedchenlose

Titel: Maedchenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Augusti
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Höhe, ergriff ein Messer und fing an zu schneiden; mir graute, als ich die fetttriefenden Hände, die blutigen Fleischstücke sah, und ich konnte mich nicht überwinden, es ihr gleichzuthun. Frau Klingemann hatte Mitleid mit mir und gab mir einige Gewürze zu stoßen, das war wenigstens eine reinliche Arbeit. Nach einer Weile, die mir sehr lang erschien, hörte ich draußen meinen Namen wiederholt und mit steigender Ungeduld rufen. »Da sind die Kinder,« sagte ich, »sie suchen mich im ganzen Garten und werden nicht wissen, wo ich stecke.«
    »Gehen Sie nur zu ihnen hinaus,« meinte Fräulein Lietzner gutmütig, »wir wollen hier schon ohne Sie fertig werden.« Als ich an der Thür war, rief mich Rose; ich sah, wie die andere eine abwehrende Bewegung machte, sie aber sagte schnell: »Wollen Sie nicht die Übestunde mitMax übernehmen, Erna? Dann könnte Tante Emma hier ungestört dabei bleiben.« Ich sagte mit Freuden zu, es war mir äußerst lieb, mich nützlich zu machen und doch dieser schrecklichen, fettigen Atmosphäre zu entfliehen.
    Die Kinder empfingen mich mit einem Freudengeschrei. »Gut, daß Sie endlich kommen, Erna,« rief mir der zehnjährige Max entgegen, »ich dachte schon, Sie würden die ganze Pause vertrödeln.« – »Aber Max,« sagte seine Zwillingsschwester Marie vorwurfsvoll, »es ist doch sehr gut von Erna, wenn sie uns erzählt, du darfst sie nicht schelten.« – »Ach was!« versetzte er, »gut oder nicht, sie hat's einmal versprochen, und sein Versprechen muß jeder halten. Ich kann doch unmöglich in die langweilige Klavierstunde gehen, ohne zu wissen, was aus dem Ritter Telramund geworden ist.«
    Ob ich wohl in spätern Zeiten jemals ein Publikum finden werde, das mit solcher Spannung auf die Fortsetzung meiner Geschichten wartet? –
    Die Klavierstunde war nicht so angenehm, als ich erwartete; ich kam mehreremale in große Gefahr, alle Geduld zu verlieren und energisch dreinzuschlagen, wenn die ungeschickten Finger immer denselben Fehler machten. Und Fräulein Lietzner erträgt diese Qual alle Tage, und noch nie habe ich sie darüber klagen hören! Mir wurde es auf einmal ganz sonnenklar, daß ich noch nie etwas geleistet habe, daß mein ganzes Leben bisher nur Vorbereitung war. Gott gebe, daß einmal ein recht gutes Resultat davon zu sehen sein wird.
    Nach der Vesper bat mich Frau Klingemann, ihrer Schwiegermutter etwas vorzulesen; dieselbe sei unwohl undkönne ihr Zimmer nicht verlassen. Natürlich war ich gern bereit und las wohl eine Stunde aus der Zeitung vor – gerade keine anmutige Lektüre! Welch eine verschiedene Physiognomie können doch die Tage in demselben Hause und unter denselben Menschen tragen! Über dem letzten Sonntag lag ein unbeschreiblich festlicher, poetischer Hauch ausgebreitet, das Landleben erschien von seiner anziehendsten, sonnigsten Seite, – der heutige Tag dagegen stellte die nüchternste Prosa dar und wirkte sehr abspannend. Freilich fehlte uns Nora, die vielleicht auch diesem Tage einen Reiz verliehen hätte. Übrigens würde Rose meiner Ansicht nicht beistimmen; sie kam eben, um sieben Uhr abends, glühendrot von der langen Arbeit in der heißen Küche, zu mir gelaufen. »Wir sind fertig!« rief sie triumphierend, »nun kommen Sie, unsere Leistungen zu bewundern.« In der Speisekammer lagen in langer Reihe die verschiedenen Sorten von Würsten; sie klopfte dieselben mit einer wahren Zärtlichkeit und fragte, ob sie nicht prächtig wären; Tante Emma erkläre, so gut wären sie lange nicht geraten. »Aber warum kauft man die Wurst nicht lieber beim Fleischer?« wagte ich zu fragen, »und erspart sich all die häßliche Arbeit und Mühe?« Sie sah mich mit entsetzter Miene an. »O Sie eingefleischtes, unverbesserliches Stadtkind! Wenn dieser Anblick Ihr Herz nicht bewegt, so gebe ich Sie auf, Sie werden nie, nie eine echte Landfrau werden! – Aber es muß freilich auch solche Käuze geben«, setzte sie lachend hinzu, »denn was sollte aus uns armen Stützen werden, wenn niemand unsere Unterstützung brauchte?«
    Viertes Kapitel

Der Sturm
    Den 23. Juni.
    Ich habe lange nichts in mein Tagebuch geschrieben, alle unsere Gedanken, unsere Zeit, unsere Hände waren in Anspruch genommen; ich konnte Dir nur den kurzen Brief schreiben, den Du inzwischen wohl erhalten hast.
    Schon an dem Tage, als ich zuletzt schrieb, wehte ein rauher Wind, und Herr Klingemann prophezeite einen vollständigen Umschlag des Wetters, das bis dahin ungewöhnlich schön und

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