Maedchenlose
Lust und Liebe zur Sache, aber ich will gern arbeiten. Die Leute haben ihr Hab' und Gut verloren, Lieschen hat nur die paar Sachen, die sie auf dem Leibe trägt, wir wollen sie ausstatten und wie ein paar rechte Mütter für sie sorgen.«
»Liebe, gute Rose,« erwiderte ich tief gerührt, »das ist ein herrlicher Gedanke, und ich habe Sie doppelt und dreifach lieb dafür. Aber nun müssen wir auch wie Schwestern zu einander stehen – bitte, nenne mich du.«
Sie fiel mir um den Hals und überschüttete mich mit einer solchen Flut von Küssen, daß ich dem Ersticken nahe war. Helle Thränen standen in ihren Augen, aber ihr Mund lachte. »O ich habe dich schon lange furchtbar lieb,sagte sie; anfangs hielt ich dich für eine hochmütige kleine Prinzessin, die hier mit Verachtung auf alles herabsähe; aber so bist du gar nicht, du bist nur so unwissend wie ein neugeborenes Kind in allem, was in einem großen Landhause vorgeht, und dein Erstaunen war nur die reine kindliche Unschuld. Du bist ein liebes, süßes, kluges Mädchen, und ich bin ganz glücklich, daß du mir auch gut bist.«
Ich holte mein Geld hervor, und wir machten einen Überschlag; Rose berechnete sehr verständig, was ich selbst davon brauchen würde, »denn,« sagte sie, »du darfst nur den Überschuß verwenden und nicht mehr von deinen Eltern fordern, als sie dir für diese Zeit zugedacht hatten; es ist aber auch übergenug, und unser Kind kann sehr zufrieden sein.« Wir gingen zu Fräulein Lietzner, um ihr unsern Plan vorzutragen; sie lobte uns freundlich, ohne von unsern Edelmut viel Aufhebens zu machen, ging bereitwillig auf unsere Gedanken ein und gab uns viele gute Ratschläge.
»Bittet nur um einen Wagen nach der Stadt,« riet sie uns, »und macht eure Einkäufe selbst, schriftliche Bestellung ist lange nicht so praktisch.«
Herr Klingemann bewilligte unsere Bitte, und wir rüsteten uns eben, am Nachmittag unsere kleine Reise zu unternehmen, als Frau Klingemann uns zu sich beschied.
»Meine lieben Mädchen,« sagte sie, »ich muß eine ernstliche Sache mit euch besprechen. Herr v. Rothenburg hat dringender Geschäfte wegen gebeten, mit nach der Stadt zu fahren, es wäre schwer, ihm das abzuschlagen. Leider bin ich durch Bruno, Tante Emma durch die Krankegefesselt; keine von uns kann als dame d'honneur mit euch fahren. Könnt ihr mir nicht versprechen, euch so zu benehmen, daß niemand Ursache hat, sich über die Zusammensetzung eurer Gesellschaft aufzuhalten, so müßt ihr zu Hause bleiben; ich kann dann allenfalls die Wirtin schicken, um eure Besorgungen zu machen.«
Rose küßte der lieben Frau die Hand. »Die Ermahnung gilt doch nur mir, denn Erna ist gesetzt und verständig für zwei. Ich werde mich ihr ganz fügen; sobald ich die Grenze des Erlaubten irgend überschreite, braucht sie mich nur am Ärmel zu zupfen, ich verspreche pünktlichen Gehorsam. Wir möchten so gern selbständig für unser Kind sorgen.«
»Gut,« versetzte Frau Klingemann, »ich vertraue euch. Gieb deiner Bewunderung für Herrn v. Rothenburgs Thaten keinen allzu lebhaften Ausdruck, mein Röschen; man muß das wahrhaft Gute nicht durch zu lautes Lob entweihen. Nun fahrt mit Gott, ihr Lieben, auf glückliches Wiedersehen!«
Unser Kavalier, der auch diesmal nicht bei Tische erschienen war, kam erst, als wir schon im Wagen saßen, begrüßte uns sehr flüchtig und drückte den breitkrämpigen Hut tief ins Gesicht. Der Anfang unserer Fahrt war sehr still. Überall sahen wir die Spuren des furchtbaren Sturmes, viele Menschen waren beschäftigt, umgebrochene Baumstämme und herabgerissene Äste zu beseitigen; die kleinen Höfe, an denen wir vorüberkamen, sahen meist jämmerlich mitgenommen aus, die Strohdächer zerzaust, die Ställe zumTeil umgeworfen, in den Gärten, auf den Feldern traurige Verwüstungen, aber überall sah man fleißige Hände geschäftig, um die Schäden auszubessern. Die Sonne schien wieder hell, die Luft war still, aber auffallend abgekühlt, im Schatten war es ordentlich kalt. Rose brach zuerst das Schweigen.
»Ist Ihnen nicht kalt, Herr v. Rothenburg? wir haben mehrere Plaids und eine Decke hier und könnten Ihnen leicht etwas abgeben.« Er dankte ziemlich kurz.
»Ich hoffe, Sie haben bei Ihrem gestrigen Rettungswerk keinen Schaden genommen?« fragte sie weiter.
»Durchaus nicht, mein Fräulein.«
»Wir haben mit warmer Teilnahme davon gehört,« fuhr sie, unbeirrt durch seine Einsilbigkeit, fort; »es wird Sie freuen, zu hören, daß es
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