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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Porsches geschaut hatte, um wenigstens die Uhrzeit in Erfahrung zu bringen, kann ich mir nicht mehr erklären. Vermutlich hatte ich es nicht über mich gebracht, den Blick freiwillig in seine Richtung zu lenken.)
    In einem Dorf standen riesige Puppen in den Vorgärten. An eine kann ich mich besonders gut erinnern, es war eine Frau ohne Kopf, die dasaß und spann. Eine andere hatte eine große Schere in der Hand, und irgendwo kletterte einer die Hausfassade hoch. (Wie ich jetzt hier sitze und schreibe, finde ich allerdings, dass dieses Detail ziemlich ausgedacht klingt. Und vielleicht spielt mir meine Erinnerung an dieser Stelle tatsächlich einen umgekehrten Streich und befördert Bilder herauf, die gar nicht da sind? Aber eigentlich bin ich sicher , dass in den Vorgärten solche Puppen gewesen sind.)
    Ich vermag nicht genau zu sagen, warum ich noch mehr verzweifelte, als wir über eine Autobahn hinwegfuhren, und warum ich später so erleichtert war, als mein Peiniger den Wagen dann doch auf eine andere Autobahn steuerte. (Ich kann nur vermuten, dass es eine andere war, bei dem Zick-Zack-Kurs hatte ich die Orientierung vollständig verloren. Selbst mit Hilfe der Landkarte gelingt es mir nicht, unsere Fahrt durch die Ardennen zu rekonstruieren.) Vielleicht hatte meine Erleichterung damit zu tun, dass in Belgien alle Autobahnen erleuchtet sind. (Ich habe keine Ahnung, ob das schon immer so war oder erst eingeführt wurde, nachdem Marc Dutroux die sechs Mädchen entführt hatte.) Zum anderen ist man auf einer Autobahn nicht so allein wie im Wald. Und nächtliches Über-die-Autobahn-Fahren war mir von meinen früheren Familienurlauben deutlich vertrauter als nächtliches Durch-dunkle-Wälder-Rasen. Außerdem fuhr mein Peiniger jetzt plötzlich wie ein einigermaßen normaler Mensch. Ich glaube, er blinkte sogar, wenn er einen Laster oder ein anderes langsames Auto überholte.
    In einem Industriegebiet, das anscheinend zu Lüttich gehörte, war die Autobahn kurz unterbrochen. Wir überquerten einen breiten Fluss, es muss die Maas gewesen sein. Alles hier war schmutzig und verfallen. Ich bezweifelte, dass die Fabriken noch in Betrieb waren, und hoffte, diese von Menschen geschaffene Ödnis würde meinen Peiniger zu keinen neuen Entsorgungsideen inspirieren.
    Kaum waren wir wieder auf der Autobahn, machte er mich auf eine Ausfahrt aufmerksam. Grâce-Hollogne. Er wollte wissen, ob mir der Name etwas sagte. (Es war der erste Satz, den er seit unserem Aufbruch am Hohen Venn gesprochen hatte.) Ich verneinte, weil ich den Namen tatsächlich noch nicht oder zumindest nicht bewusst gehört hatte. Inzwischen weiß ich selbst, was mein Peiniger mir damals erklärte: Es war der Ort, an dem im Juni 1995 die beiden achtjährigen Mädchen Julie Lejeune und Melissa Russo verschwunden waren. Jene Mädchen, die Marc Dutroux später in seinem Keller gequält hatte und die am Schluss verhungern mussten, weil Dutroux wegen irgendeines Kleindelikts von der Polizei für ein paar Monate eingesperrt worden war und seine Ehefrau sich angeblich nicht getraut hatte, in den Keller hinabzusteigen. (Die Mädchen waren auch Opfer jener Polizeibeamten, die bei der Hausdurchsuchung Schreie gehört, aber irgendwie gedacht hatten, diese müssten von der Straße kommen...) Wie unfassbar herzlos - oder krank! - jedoch muss die Ehefrau sein, dass sie zwei kleine Mädchen, von denen sie wusste, dass sie unten im Keller eingesperrt waren - wie unfassbar krank muss diese Frau sein, dass sie zwei kleine, hilflose Mädchen verhungern ließ! Dass sie in Gegenwart ihres perversen Ehemanns nicht den Mut gehabt hatte, etwas für die Mädchen zu tun, kann ich verstehen. Aber dass sie es fertiggebracht hat, ihnen noch nicht einmal in seiner Abwesenheit Essen zu geben! Vor Gericht soll sie gesagt haben, sie habe »Angst vor diesen wilden Tieren« gehabt. Sie ! »Angst«! »Vor diesen wilden Tieren«! Der bloße Gedanke daran treibt mir Zornestränen in die Augen.
    Meinem Peiniger dagegen bereitete die Geschichte, als er sie mir in jener Nacht im Auto erzählte, großes Vergnügen. (Im Nachhinein fällt mir auf, dass er das Detail mit den Polizeibeamten, die das Haus durchsuchen, die Tür zur Zelle nicht finden und auch die Mädchenschreie falsch interpretieren, ausließ. Vermutlich befürchtete er, ich würde dann kapieren, dass die Geschichte, die er mir im Keller erzählt hatte, geklaut war.) Das Einzige, was er an Dutroux auszusetzen hatte, war, dass dieser auch kleine

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