Maedchenmoerder Ein Liebesroman
lässt sich so gut ablesen, wie viel oder wenig Mitleid in einem Menschen steckt, wie daran, wie er mit Tieren umgeht. Trotzdem bin ich keine von den Spinnerinnen, die sich mit Fotos von gefolterten Affen in Köln auf die Domplatte stellen. Und »Feministin« bin ich noch viel weniger. Es reicht, wenn mich meine Mutter mit Geschichten aus ihrer ruhmreichen »Frauenbewegungsvergangenheit« vollquatscht. (Denn was ist letzten Endes dabei herausgekommen? Heute ist sie dreiundfünfzig, hat immer nur in einem mickrigen Reisebüro gearbeitet, obwohl sie Reiseschriftstellerin hatte werden wollen, und als mein Vater uns verlassen hat, durfte ich einen Sommer, Herbst und Winter lang den Haushalt allein schmeißen, weil sie den ganzen Tag auf dem Sofa gelegen und geheult hat.))
Ich versuchte also, meinem Peiniger klarzumachen, dass Pink nichts mit »Feminismus«, sondern einzig und allein etwas mit eigenem Willen zu tun habe. Es war so aussichtslos, als ob ich versucht hätte, einem Blinden das südfranzösische Licht zu beschreiben.
Obwohl: Wenn ich jetzt noch einmal darüber nachdenke, bin ich sicher, dass er mich damals sehr wohl verstanden hat. Denn - ich merke, wie sich alles in mir dagegen sträubt, diesen Punkt weiterzuverfolgen, aber ich muss, ich muss! -, denn behandelte er seine Opfer nicht umso verächtlicher, je unterwürfiger sie sich verhielten? Quälte er nicht bevorzugt ebenjene » Porno Paparazzi Girls «, wie Pink sie in ihrem Lied besingt? Und zeigte er nicht Spuren von Respekt für diejenigen, die trotz allem, was er ihnen antat, versuchten, ihren Stolz und ihren Willen zu bewahren?
Hilfe. Meine Finger zittern.
Angst.
Eine offene Rechnung
Krokodile sind effektive Jäger. Die meiste Zeit der häufig nächtlichen Jagd liegen sie weitgehend untergetaucht im Wasser. Sie sind in der Lage, sich geräuschlos dem Ufer zu nähern und aus dem Wasser zu schnellen. Beim Festhalten der Beute bohren sich die konischen Zähne in das Opfer, beim Zubeißen entwickelt sich durch die extrem kräftige Kiefermuskulatur eine enorme Beißkraft, die ein Entkommen meistens unmöglich macht. Haben sie ein Opfer erbeutet, ziehen sie es unter Wasser, um es zu ertränken. Ein erwachsenes Nilkrokodil nimmt schätzungsweise nur fünfzig volle Mahlzeiten im Jahr zu sich, erbeutet also pro Woche etwa ein Tier. Die Verdauung dauert in der Regel drei Tage. Da Krokodile nicht kauen können, müssen sie Fleischstücke von ihrer Beute abreißen. Zu diesem Zweck packen sie das Opfer mit den Zähnen und drehen sich selbst mehrfach um die eigene Achse. Dabei zerreißen sie ihre Beute an den Stellen, an denen sie mit ihren Zähnen eine Perforation hinterlassen haben. Um das Zerstückeln der Beute zu erleichtern, verstecken sie den Kadaver oft ein paar Tage, damit er weicher wird. Krokodile selbst haben als erwachsene Tiere keine natürlichen Feinde.
Bei Montélimar - wie sehr sollte ich diesen Namen hassen lernen, eigentlich müsste es »Cauchemar« heißen, »Alptraum« - bei Montélimar/Cauchemar lernte ich mein erstes Formule1 -Hotel kennen. (Sie erinnern sich: Die roten Plastikzellen ohne Dusche und Klo). Die sechs- oder siebenhundert Kilometer Fahrt seit Reims hatten meinen Peiniger müde gemacht. In gewohnter Manier kettete er mich am Stockbett an, und während er schlief, schaute ich NRJ12 (eine Art französisches Viva) ohne Ton. Erst als Shakira kam, zappte ich weiter. Auch als Stummfilm konnte ich die Hüften, die angeblich nicht logen, nicht ertragen.
Nachdem er seinen verspäteten Mittagsschlaf beendet hatte, kündigte mir mein Peiniger einen »Ausflug« an, der mir »Tierschützerin« - er blieb bei dieser Bezeichnung - sicher gefallen würde. Ich rechnete mit dem Schlimmsten, mit einem Schlachthof oder einer Ranch, auf der ein sadistischer Bauer seine Tiere zum Abknallen freigab. Trotzdem traute ich mich nicht, ihn zu fragen, was er vorhatte, als wir das Industriegebiet von Montélimar hinter uns ließen und an dem eigentlichen Städtchen vorbei die Rhône entlangfuhren. (Aus der Tatsache, dass er seine Sporttasche nicht im Formule1 gelassen, sondern wieder in den Kofferraum geworfen hatte, hatte ich geschlossen, das Kapitel Montélimar sei erledigt. Wäre es doch nur so gewesen! )
Anstatt mich darüber aufzuklären, wohin unser »Ausflug« gehen sollte, begann er mir zu erzählen, welchen Bezug er zu Montélimar hatte. Die letzten Jahre seiner Profilaufbahn sei er bei einem - wie er sich selbst
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