Maedchenmoerder Ein Liebesroman
einen weiteren Fluch in Richtung Tresen auszustoßen, mich am Ellenbogen zu packen und aus dem Schnellrestaurant hinauszuzerren.
Ich wünschte, an diesem Donnerstag hätten alle Wesen ein solches Glück gehabt wie die Burgermädchen in Troyes-Süd.
An einer Aire de Service hinter Mâcon bekam ich endlich die Gelegenheit, mich umzuziehen. Zuvor waren wir allerdings noch Stunden durch die Gegend gefahren. Und auch wenn man immer denkt: Champagne, Bourgogne, Côte d’Or - wie schön muss das sein!, darf man sich in Wahrheit freuen, wenn es auf einem Feld zur Abwechslung nicht grün, sondern gelb wächst. (Am meisten Spaß hatten mir noch die rostigen Windräder gemacht, die ich eigentlich eher in Texas erwartet hätte. (Nicht, dass ich schon mal in Texas gewesen wäre, aber man hat die Bilder im Kopf. Außerdem ist eine große USA-Reise das Erste, was auf meinem Programm steht, wenn ich das hier alles überstanden habe.)) Und Flussnamen wie » La Femme sans Tête « oder » La Mauvaise « hatten mich auch amüsiert. Als ich meinen Peiniger jedoch gefragt hatte, ob er wisse, warum ein Fluss »Die Frau ohne Kopf« und ein anderer »Die Schlechte« heißen würde, hatte er nur gemeint, dass er mich gerade hätte loben wollen, dass ich die erste »F…« sei, die nicht alles kommentieren müsse, was rechts und links des Wegs liegt... Von den berühmten französischen Städten kriegt man von der Autobahn aus übrigens wenig mit. Mit etwas Glück sieht man am Horizont einen Kirchturm. (Oder zwei.) Ansonsten: Sozialbunker, Fabrikhallen, Schlote, Wassertürme, Lichtmasten von Fußballstadien. (Man sollte einmal einen solchen Reiseführer über Frankreich schreiben. La France vue de l’Autoroute .) Dennoch lassen es sich die Franzosen nicht nehmen, alle paar Meter mit einem ihrer braunen Schilder darauf hinzuweisen, was für eine bedeutsame Abtei es in der Gegend zu besichtigen gäbe oder an was für einem weltberühmten Käse man gerade vorbeifährt. (Allerdings haben sie eine Obsession, die noch schlimmer ist: Kunst an der Autobahn. Ich kann mir diesen Unfug nur so erklären, dass sich die Franzosen insgeheim schämen, weil ihre Landschaft dann doch nicht überall so aufregend ist, wie sie immer tun. Und um von dieser Langeweile abzulenken, werden rote und grüne Plastikpilze aufgestellt, damit sich der Reisende am Schluss nur noch erinnert, durch was für einen »zauberhaften Pilzwald« er gefahren ist.)
Ich hatte mich sehr darauf gefreut, an der Aire de Service endlich zwei oder drei Minuten allein auf dem Klo verbringen zu dürfen. Doch als ich mit meinem Peiniger den Vorraum betrat, von dem sowohl die Herren- als auch die Damentoiletten abgingen, waren die Damentoiletten gesperrt. Auf einem Zettel stand in schlechter Handschrift: » LES TEMPS DU NETTOYAGE PASSER CHEZ LES HOMMES. « Es ist schwer, in solchen Augenblicken nicht zu verzweifeln.
Mit gespreiztem Zeige- und Mittelfinger schob mich mein Peiniger in Richtung Herrentoilette. An den Pissoirs stand ein schmieriger Mann, Marke Fernfahrer. Ohne sein Geplätscher zu unterbrechen, blickte er über die Schulter, als wir den Raum betraten. Sein Grinsen entblößte eine gelb-schwarze Ruinenlandschaft. Ich machte schnell, dass ich in eine der abschließbaren Kabinen kam. Trotzdem hörte ich, wie er etwas von einer » petite salope chaude « sagte, woraufhin mein Peiniger erklärte, dass » la salope encore bien plus chaude « sei, als er sich vorstellen könne, und beide lachten. (Sie verzeihen mir, dass ich diese Bemerkungen nicht übersetze...)
In den Medien ist viel darüber spekuliert worden, dass mein Peiniger einen IQ von 130, 140 oder gar 150 gehabt haben soll. Ich maße mir in dieser Frage kein Urteil an, aber ich denke, dass hier übertrieben wurde. In erster Linie wohl deshalb, weil niemand erwartet, dass ein Sportler überhaupt intelligent ist. Die wichtigste Rolle dürfte aber gespielt haben, dass er fünf Fremdsprachen mehr oder weniger fließend sprach - und das, obwohl er nur einen Realschulabschluss hatte.
All jene »Fans« meines Peinigers, die ihn zu einem »schwarzen Genie« verklärt haben - ein Magazin hat diesem Thema ja gleich eine ganze Artikelserie gewidmet -, all jene »Fans« muss ich jedoch enttäuschen. Er selbst hat mir nämlich erzählt, dass es nichts Besonderes sei, wenn ein Radprofi Holländisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch kann. Diese »Amtssprachen des Radsports« lerne man im »Peloton« quasi
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