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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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ausdrückte - »zweitklassigen« französischen Radsportteam angestellt gewesen. Zuvor sei er in einem »erstklassigen« spanischen Team gefahren, aber sein Knie habe schon damals begonnen, Schwierigkeiten zu machen, weshalb er dieses »erstklassige« Team hätte verlassen müssen. (Ein Journalist, der sich die Mühe gemacht hat, etwas gründlicher über meinen Peiniger zu recherchieren, meinte allerdings, dieser sei aus dem spanischen Team herausgeflogen, weil er nicht einmal mehr als »Wasserträger« die entsprechende Leistung gebracht hätte. (Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, sind »Wasserträger« diejenigen in einer Mannschaft, die für ihre Kapitäne und die anderen besseren Fahrer die Wasserflaschen herumfahren müssen. Ich vermag nicht zu sagen, ob mein Peiniger wirklich bloß ein »Wasserträger« gewesen ist. Mir gegenüber hat er diesen Ausdruck zwar nie fallen lassen, aber das muss nichts bedeuten.)) Sein neues »zweitklassiges« Team habe nicht viel Geld gehabt, und da der Teammanager darüber hinaus ein echter »Menschenfeind« gewesen sei, (das sagt der Richtige...) seien sie zum Trainieren nicht, wie es bei »erstklassigen« Teams üblich sei, schick an der Côte d’Azur untergebracht worden, sondern eben bloß in Montélimar.
    (Ich sollte das »Hotel«, in dem mein Peiniger zusammen mit seiner Mannschaft angeblich viele Monate seines Lebens verbracht hat, noch kennen lernen (zumindest von außen). Und es ist eine finstere Absteige, in der man keinen einzigen Tag verbringen möchte. Trotzdem entschuldigt das nichts von dem, was er in dieser Nacht getan hat.)
    Während er seine Geschichten erzählte, fielen mir Schilder auf, die eine » Ferme aux Crocodiles « ankündigten. Aber nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass diese Krokodilfarm unser Ziel sein könnte. (Ich weiß sogar noch, dass ich mich gefragt habe, warum ich nicht mit einem ganz normalen Menschen unterwegs sein konnte, der Lust hätte, diese Farm mit mir spontan zu besichtigen.) Umso überraschter war ich, als er den Schildern immer weiter folgte, bis er unseren Ford tatsächlich auf dem Parkplatz vor einem riesigen Glashaus abstellte. Nachdem ich mich eine Sekunde gefreut hatte, wurde ich sofort wieder misstrauisch. Wenn mein Peiniger sich für diese Farm interessierte, konnte es nur bedeuten, dass hinter der friedlichen Fassade irgendwelche Grausamkeiten begangen wurden. Mein Misstrauen legte sich erst, als ich in der viersprachigen Broschüre, die wir am Eingang in die Hand gedrückt bekamen, lesen konnte, dass die Krokodilfarm von Pierrelatte in Europa einzigartig war und - außer dem touristischen - keinerlei kommerziellem Zweck diente. Keines der dreihundertfünfzig Krokodile musste als Handtasche, Gürtel oder Schuhe enden, alle Tiere durften sich in dem Tropenhaus, das ein krokodilvernarrterTomatenbauer mitten in der Drôme gebaut hatte, mehr oder weniger frei entfalten.
    Trotz der schwülen Luft war die Anlage mit ihren Tümpeln, Wasserfällen, Palmen, Riesenfarnen und Vögeln der erste Ort, an dem ich ein wenig durchatmen konnte. Ich erfuhr, dass Krokodile schon zur Zeit der Dinosaurier existiert hatten und dass es heute drei verschiedene Arten gibt: »echte« Krokodile, Alligatoren und Gaviale. Vor allem die Gaviale mit ihren merkwürdig spitzen Schnauzen schienen es meinem Peiniger angetan zu haben. Er erzählte mir, dass in dem Dorf im Sauerland, in dem er bei seinen Großeltern aufgewachsen war - wie Sie aus den Medien wissen, hatte seine Mutter ein Drogenproblem und wollte oder konnte sich deshalb nicht um ihn kümmern (keine Angst, ich fange jetzt nicht mit der Psychosülze »schwere Kindheit« an - gibt es irgendeine Kindheit, die nicht schwer ist...?) -, er erzählte mir also, dass ein Nachbarjunge in diesem Dorf einen Kaiman gehabt habe. Und dass auch er unbedingt einen solchen Kaiman hätte haben wollen, aber seine Großeltern dagegen gewesen seien. (Stattdessen hätten sie ihm das erste Fahrrad geschenkt.) Die Geschichte allerdings, dass er eines Nachts aus Zorn in das Terrarium des Nachbarjungen geklettert sei und den Kaiman in zwei Stücke gehackt habe - jene Geschichte, die in allen Zeitungen zu lesen war - hat er selbst mir nicht erzählt. (Und ich bin mir nicht sicher, ob ich sie glauben soll. Nicht, dass ich den geringsten Grund hätte, meinem Peiniger nicht jede Bestialität zuzutrauen. Aber wenn Sie gesehen hätten, wie fasziniert, ja beinahe liebevoll er an jenem Nachmittag die Krokodile von

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