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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Schreckliches bevorstand. Ich bat meinen Peiniger um Verzeihung, aber er wischte meine Entschuldigung mit einer ironischen Handbewegung beiseite. Dann sprang er von dem Picknicktisch hinunter, auf dem wir saßen, und ging in die Richtung, in die er gestarrt hatte.
    Ich folgte ihm mit meinem Blick, und in diesem Moment begriff ich, was er vorhatte. Das heißt: Ich begriff es nur fast. Ich dachte, er wollte eine der Kühe erschießen, die auf der Weide standen. Aber dann sah ich den schwarzen Hund, der zu dem Bauernhof in der Ferne gehören musste und übers Gras auf ihn zugelaufen kam. Es war ein Labrador Retriever, so wie Tinka... Ich begann zu schreien, sprang ebenfalls vom Picknicktisch und rannte los, aber da war der Schuss schon gefallen...
     
     
    Es fällt mir schwer weiterzuschreiben. Drei Tage habe ich einen Bogen um meinen Laptop gemacht und stattdessen so sinnvolle Dinge getan wie ein paar Wände gelb gestrichen. (Wenigstens sieht das Zimmer, in dem ich sitze, jetzt nicht mehr ganz so kalt aus.) Mein Sträuben rührt aber nicht nur daher, dass ich mir die Schuld am Tod jenes Hundes gebe. (Warum hatte ich meinen Peiniger bloß so provoziert! Warum hatte ich ihm je von Tinka erzählt! Nicht, dass es moralisch anders zu bewerten gewesen wäre, hätte er an jenem Mittag eine Kuh erschossen. Aber vielleicht hätte er in diesem Fall gar nicht abgedrückt, weil er nicht sicher gewesen wäre, ob er mich damit wirklich getroffen hätte.) Vor allem sträube ich mich weiterzuschreiben, weil mein Peiniger und ich uns unaufhaltsam jenem Punkt der Reise nähern, der selbst die bisherigen Schrecken in den Schatten stellen sollte.
    Ich habe Ihnen zu Beginn versprochen, die ganze Geschichte zu erzählen. Und das heißt, dass ich die Ereignisse von Montélimar, der Camargue, Lourdes und all den anderen Orten nicht auslassen darf. Aber ich will ehrlich mit Ihnen sein: Ich weiß nicht, ob ich es tatsächlich schaffen werde, in jede dieser Höllen noch einmal hinabzusteigen. Sie haben mitbekommen, wie viel Kraft und Überwindung es mich gekostet hat, von meinen Erlebnissen im Keller und im Wohnwagen zu berichten, und wie schwer es mir gefallen ist, die Geschichte mit dem Hund zu erzählen. Doch Keller, Wohnwagen und Hund waren Scherze - abstoßende, grausame zwar, aber dennoch Scherze - im Vergleich zu dem, was im Weiteren passieren sollte. Deshalb muss ich Sie bitten, Geduld mit mir zu haben.
     
     
    Die Tatsache, dass er mich das erste Mal richtig zum Heulen gebracht hatte, versetzte meinen Peiniger in Hochstimmung. Als wir die Autoroute du Soleil erreichten und die Landschaft endlich so aussah, wie man sich Südfrankreich vorstellt, kurbelte er sein Fenster herunter und machte sogar das Radio an. Ich fühlte mich elend genug, ohne dass auf einem gewissen » Chérie FM « ein Chanson dudelte, in dem irgendein Kerl darüber jammerte, dass seine Freundin so viel Bier trinke und er den ganzen Abwasch machen müsse. Auf » Fun - Radio « (sprich: » Fönn - Radío «) verulkte eine Spaßcombo den armen Zidane wegen seines Kopfstoßausrasters bei der WM. (» Zidane il a frappé, Zidane il a tapé ...«) Mein Peiniger schien das Lied zu mögen, zumindest begann er schon bei der zweiten Wiederholung, den Refrain mitzusingen. Noch besser gefiel ihm jedoch » Façon Sex « von einem gewissen » Tribal King «. Wie der Titel nahelegte, drehte sich in dieser nervtötenden Hip-Hop-Nummer alles um sexe und femmes und fesses . Unter normalen Umständen hätte ich mich darüber beschwert, dass diese Banlieue-Asis, (Sie wissen, dass ich solche Ausdrücke normalerweise nicht benutze, aber in diesem Fall ist es angebracht,) dass diese Banlieue-Asis zu blöd oder zu cool waren, wenigstens korrektes Französisch zu singen. (Mir war in der Schule beigebracht worden, » façon « niemals in Kombination mit einem Substantiv zu verwenden.) Aber ich hütete meine Zunge.
    Erst als » Stupid Girls « von Pink lief und er anfing, über »diese Pseudo-Punk-F…« herzuziehen, konnte ich mich nicht länger beherrschen. Ich fuhr ihn an, dass Pink nicht Punk sei und schon gar nicht Pseudo, sondern eine der wenigen Frauen im Musikgeschäft, die einen eigenen Willen hätte. Daraufhin fragte er mich, ob ich etwa nicht nur »Tierschützerin«, sondern auch noch »Feministin« sei.
    (Ich bin weder das eine noch das andere, auch wenn mein Vater der Überzeugung ist, dass ich einen »Tierfimmel« hätte. Dabei halte ich es einfach mit Schopenhauer: Nirgends

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