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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Pierrelatte beobachtet hat, würden Sie es wie ich für denkbar halten, dass Krokodile die einzige Spezies sind, für die er irgendetwas empfunden hat. (Ich glaube zwar nicht an Wiedergeburt, Seelenwanderung und das ganze esoterische Zeug, dennoch beschlich mich in jenem tropischen Glashaus der Verdacht, mein Peiniger könne eine Krokodilseele haben oder vor zweihundert Millionen Jahren als Urkrokodil über unseren Planeten gezogen sein. So innig schaute er in diese schlammgrünen Augenpaare - und so innig schauten diese schlammgrünen Augenpaare, die nur wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche lauerten, ihn an.))
    In seiner Stimme lag jedenfalls eine echte, für ihn völlig untypische Wärme, als er mir aus der Broschüre über das Jagdverhalten der Krokodile vorlas. (Jetzt verstehen Sie auch, warum ich diesen Text gleich an den Anfang des Kapitels stellen musste. Er sagt so viel über meinen Peiniger aus. (Und ja, ich gebe zu, dass ich heute Morgen in das Internetcafé an der Ecke gegangen bin, bei Wikipedia den Eintrag über Krokodile nachgelesen und Teile daraus zitiert habe. Weil ich in diesem wichtigen Punkt keine sachlichen Fehler machen wollte. Denn natürlich kann ich mich nur noch ungefähr an das erinnern, was er mir aus der Broschüre vorgelesen hat. (Ich bitte Wikipedia, mir diesen »Diebstahl« zu verzeihen. Und Sie bitte ich, nicht von mir zu verlangen, dass ich jetzt wegen jeder Kleinigkeit ins Internetcafé hinüberrenne. (Der Laden ist wirklich ein Kabuff.)))
    Außer dem Jagdtalent dieser Tiere, das meinen Peiniger aus naheliegenden Gründen am meisten faszinierte, beeindruckte ihn, dass Krokodile drei Stunden unter Wasser bleiben können, ohne zu atmen. Und ebenso begeistert las er mir vor, dass es von der Temperatur des Erdlochs, in dem das weibliche Krokodil seine Eier verscharrte, abhängt, ob später Krokodilmännchen oder -weibchen herausschlüpfen. Auch ich fand den Gedanken, dass einzig und allein die Bruttemperatur über das Geschlecht des Nachwuchses entschied, faszinierend. (Und mir fiel ein, im Bio-Leistungskurs etwas über »temperaturabhängige Geschlechtsbestimmung« bei Reptilien gehört zu haben, aber damals hatte mich das offenbar nicht weiter interessiert.) Nachdem wir also nachgerade harmonische Momente verbracht hatten, gerieten wir doch wieder aneinander. Es ging um die Frage, ob es passend oder unpassend sei, dass wärmere Temperaturen Männchen und kältere Weibchen hervorbringen. Mein Peiniger war der Ansicht, dass dies »wie die Faust aufs Auge« passte. Ich war der gleichen Ansicht. Allerdings klärte ich ihn darüber auf, dass die Redewendung »wie die Faust aufs Auge passen« eigentlich und ursprünglich bedeute, dass etwas ganz und gar nicht passt. Wie zum Beispiel eine Faust auf ein Auge. Und dass erst solche Proleten wie Dieter Bohlen, die fänden, dass eine Faust ganz prima auf ein Auge passen würde, dafür gesorgt hätten, dass sich die Bedeutung dieser armen Redewendung plötzlich in ihr Gegenteil verkehrt habe und deshalb jetzt alle Welt von »wie die Faust aufs Auge« spreche, wo sie eigentlich sagen wolle, dass etwas »wie Topf und Deckel« passe.
    Als ich mit meinem Vortrag zu Ende war, hätte ich mir am liebsten auf die Zunge gebissen, aber zu meiner Verwunderung schüttelte mein Peiniger nur lachend den Kopf und schob mich weiter zum nächsten Tümpel.
     
     
    Wie gern würde ich die Uhr jetzt anhalten und Ihnen noch seitenweise von der Krokodilfarm in Pierrelatte erzählen, von den Riesenschildkröten, die es dort ebenfalls gab, oder meinetwegen sogar von den blutigen Innereien, die auf einem künstlichen Felsen vor sich hin gammelten, weil ein satter Gavial sie offensichtlich verschmäht hatte. Selbst die Bemerkungen, die mein Peiniger über einen im Krokodilgehege verloren gegangenen Babyschnuller gemacht hat, würde ich hundertmal lieber wiedergeben, als von den Geschehnissen zu berichten, die nun ihren Lauf nahmen. Doch Sie haben dieses Buch nicht gekauft, um alles über Krokodile zu erfahren. Deshalb will ich meinen Mut zusammennehmen und springen.
     
     
    Beim Abendessen fing es an. Während wir in einer heruntergekommenen Landstraßenpizzeria mit Blick auf die Rhône saßen, sagte mein Peiniger plötzlich, dass er eine »offene Rechnung« habe, die er in dieser Nacht begleichen wolle. Auch wenn er sich nicht klarer ausdrückte, begriff ich sofort, dass es nicht darum ging, dass er einem Kneipenwirt noch zehn Euro fünfzig schuldete. Obwohl

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