Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Mädchen waren mit einer größeren Gruppe Jugendlicher angekommen, ein Mann, der (abgesehen von seinem Vollbart) eigentlich ganz gut aussah, hatte einen Vortrag auf Italienisch begonnen - bestimmt ging es darin um die Brückenbögen und den Muschelkalk und das römische Wassersystem (hier muss ich spekulieren, denn dank meines Latinums kann ich zwar ein bisschen Italienisch lesen, aber wenn die Italiener in ihrem Tempo losquatschen, verstehe ich nur noch » Stazione Termini «...) - die beiden blonden Mädchen jedenfalls hatten sich gleich einige Meter abseits gesetzt und den iPod in die Ohren gestöpselt. (Ich gestehe: Carina und ich haben das bei Wandertagen auch getan.) Zuerst hatte ich geglaubt, es müsse sich um eine Schulklasse handeln, aber dann fiel mir ein, dass in Italien vermutlich noch Ferien waren. (Wenn mein Peiniger es später richtig übersetzt hat, befanden sich Alessia und Gabriella tatsächlich nicht auf Klassenfahrt, sondern waren mit einer katholischen Jugendgruppe unterwegs, in die ihre jeweiligen Eltern sie gesteckt hatten, um ungestört in die Karibik fliegen zu können. In einer Zeitung hatte später doch etwas von einer Klassenfahrt gestanden, aber ich vermute, das liegt daran, dass wieder einmal schlampig recherchiert worden ist.)
In erster Linie waren mir die beiden Mädchen aufgefallen, weil sie jedes Mal kicherten, wenn mir der nette Junge vom anderen Ufer zuwinkte. (Womöglich bildeten sie sich ein, er würde seine Sprünge ihnen widmen!) Wie gesagt: Carina und ich hatten uns auch nicht in die erste Reihe gedrängt, wenn es um tote Steine gegangen war - aber solche Dauergackerhühner wie diese beiden waren wir nie gewesen!
Angesichts dessen, was Alessia und Gabriella in den nächsten Stunden widerfahren sollte, ist es natürlich nicht sehr schön, dass ich jetzt so schlecht über sie rede. Aber ich habe versprochen, die Wahrheit zu erzählen. Und die Wahrheit ist leider, dass diese beiden blonden Italienerinnen exakt dem Typus » Porno Paparazzi Girl « entsprachen, den Pink in ihrem Lied besingt. Ihre Röckchen hätte ich höchstens als Gürtel getragen, beim Kaugummikauen knatschten sie ihre Zungen zwischen den Zähnen hervor, und ihre rosa Haarspängchen steckten sie so oft um, dass man hätte meinen können, ihre Pferdeschwänze wären wilde Tiere, die gebändigt werden müssten. An den Füßen hatten sie gelbe beziehungsweise rosa Crocs, jene Gummilatschen, in denen seit letztem oder vorletztem Sommer offensichtlich alle Mädchen zwischen Sizilien und dem Nordkap herumlaufen. (Für den Fall, dass Sie mir an dieser Stelle meine eigenen Adiletten vorhalten möchten: Ich habe diese billigen Latschen nicht getragen, weil ich es für »angesagt« gehalten hätte. Mein Spaß an weißen Polyesterblusen mit kleinen grünen Punkten drauf und Schlappen für zwei Euro neunundneunzig das Paar ist echt . Mit »Ironie« oder »Kult« hat das nichts zu tun.)
Ich vermute, dass mein Peiniger Alessia und Gabriella ungefähr zur selben Zeit entdeckt hat wie ich. Jedenfalls begann er, immer öfter zu den beiden hinüberzulächeln (was diese mit heftigem Gekicher quittierten), bis er schließlich - zunächst nur spielerisch - anfing, seine Kamera auf sie zu richten. (Jetzt verstehen Sie auch, wozu er ein solches Angebergerät brauchte und nicht einfach mit seinem Handy herumknipste, das er zu diesem Zeitpunkt noch bei sich hatte. (Er warf es erst weg, als die Polizei hinter ihm her war, und er (zu Recht) befürchtete, dass sie ihn über sein Handy lokalisieren könnten.))
Die eine (es war Alessia) machte völlig übertriebene Gesten, dass sie nicht fotografiert werden wolle, die andere stieß ihre Freundin in die Seite und begann - ebenfalls völlig übertrieben - zu posen. (Das komplette Repertoire, das Sie aus Germany’s Next Topmodel kennen: Knutschmund, Schmollmund, Kopf in den Nacken, Hand auf die Hüfte, Brust raus.)
Und ich muss sagen: Mein Peiniger stellte sich dort auf der ersten Etage des Pont du Gard wirklich geschickt an. Nachdem er gemerkt hatte, dass die beiden Mädchen angebissen hatten, drängte er sich nicht etwa auf, im Gegenteil, er legte längere Phasen ein, in denen er ihnen keinerlei Beachtung schenkte, sondern sich einzig und allein auf mich konzentrierte - so lange, bis die unglückseligen Geschöpfe ihn mit ihren Blicken regelrecht anflehten, fotografiert zu werden. Kein Wunder also, dass sie sich nur kurz und kichernd beratschlagten, als er schließlich zu ihnen
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