Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Handrücken zu kaufen - steuerten wir eine Buchhandlung am Rhôneufer an. Zielsicher ging mein Peiniger in die Abteilung mit den Fotobänden. Wenn Sie jetzt annehmen, er habe sich über Nacht in einen Schöngeist verwandelt, der sich nur noch an Fotos erfreuen und auch selbst nur noch Fotos schießen wollte, liegen Sie daneben. Meine inneren Wachhunde schlugen an, als er mir den Bildband demonstrierte, für den er sich entschieden hatte. (Diesmal riskierte er allerdings nicht, gleich wieder mit Genevièves Karte zu bezahlen. Zumindest in Arles schien er noch an einen Restgott zu glauben.)
Die Aufnahmen stammten allesamt von einem gewissen Jacques Bourboulon, und bereits auf dem Umschlag waren zwei (fast) nackte Mädchen zu sehen, die sich auf einer riesigen Tierfelldecke aneinanderkuschelten. Es war nicht direkt ein Pornobuch, aber die Fotos kreisten sehr um dieses eine Thema. Außer der Tierfellstrecke gab es eine Serie, da lagen die Mädchen nackt an einem schwarzen Sandstrand, im Hintergrund brandete das Meer, manche hatten winzige Tangas und silberne Stiefel an, die meisten jedoch waren komplett nackt, und alle sahen ein bisschen tot aus. (Zumindest hatten sie die Augen geschlossen.) Außerdem gab es Aufnahmen, die offensichtlich älteren Datums waren, denn die Mädchen darauf erinnerten mich an die Fotos, die mir meine Mutter aus ihrer »frauenbewegten Zeit« gezeigt hatte. (Nur dass auf den Fotos, die meine Mutter von sich und ihren Freundinnen gemacht hatte, keine Klapperschlange dabei war, die sich vor ihnen aufrichtete. (»Oben ohne« waren meine Mutter und ihre Freundinnen allerdings auch auf einigen Fotos. Als ich ihr gesagt hatte, wie peinlich ich dies fände, versicherte mir meine Mutter, sie und ihre Freundinnen hätten ihre Brüste ja nicht »zum Spaß« entblößt oder um dem »männlichen Blick« zu gefallen, sondern um zu »protestieren«. Na ja. Vielleicht wollten die Mädchen in dem Bourboulon-Band auch bloß »protestieren«...))
Mein Misstrauen wuchs, als mein Peiniger verkündete, dass wir heute einen »Kulturausflug« machen würden, damit sich meine »Tierschützerseele« ein wenig erholen könne. Ich erklärte, dass ich nicht das geringste Interesse an einem »Kulturausflug« hätte, woraufhin er mich als »arrogante F…« bezeichnete und meinte, ich solle bloß nicht so tun, als hätte ich im Leben schon alles gesehen.
Selbstverständlich habe ich in meinem kurzen Leben noch nicht alles gesehen - aber am Pont du Gard bin ich nun tatsächlich schon zweimal gewesen. Die knapp fünfzig Meter hohe, in drei Ebenen gebaute und auf der obersten Ebene fast dreihundert Meter lange Brücke über den Gard ist um Christi Geburt herum von den Römern erbaut worden, und zwar weniger, damit Eselskutschen und anderes Gefährt das Flüsschen überqueren konnten, sondern in erster Linie als Aquädukt, um Nîmes (das damals noch Nemausus hieß) mit Quellwasser aus Uzès zu versorgen. (So. Glauben Sie mir jetzt, dass ich schon zweimal dort gewesen bin?) Als Kind hatte ich es lustig gefunden, dass man eine Brücke baute, um Wasser über einen Fluss zu leiten. Bei unserem zweiten Besuch - der in die Hochzeit meiner Asterix-Begeisterung gefallen sein muss - hatte ich meine Eltern genervt, indem ich alle zwei Minuten »Die spinnen, die Römer!« gerufen hatte. Ruhe war erst gewesen, als meine Mutter sich bereit erklärt hatte, mit mir ganz hinauf, auf die Abdeckung der obersten Brückenetage zu gehen, wo früher unter den großen Steinplatten das Wasser hindurchgeflossen war. (Mein Vater ist nicht schwindelfrei, deshalb war diese Aufgabe an meiner Mutter hängen geblieben.) Und was die römische Baukunst nicht vermocht hatte - angeblich waren die ganzen Brückenbögen aus Muschelkalkstein ohne jeglichen Mörtel errichtet worden, was in der Tat beeindruckend ist -, der Wanderung über die kaum drei Meter breiten Platten in fünfzig Meter Höhe war es gelungen: Ich hatte aufgehört zu krähen und Respekt verspürt.
Umso enttäuschter war ich nun, als wir den schmalen Weg am Flussufer hinaufgestiegen waren, um über die oberste Etage der Brücke zu gehen - und entdecken mussten, dass der Zugang zum Dach mit einem rostigen Tor versperrt war. Mein Peiniger verdächtigte mich, ich hätte nur angeben wollen, und in Wirklichkeit hätte man das Dach nie betreten können. Daraufhin wurde ich wütend - und war plötzlich doch nicht mehr ganz sicher, ob ich mit meiner Mutter wirklich auf dieser Brücke herumspaziert war
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