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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Mauersegler zu fotografieren, die über der Brücke kreisten. Sondern, nein: Er befahl mir, diese und jene Pose am Geländer zu machen, als wäre ich eins von den Hühnern, die davon träumen, Germany’s Next Topmodel zu werden. (Carina hatte halb im Scherz vorgeschlagen, wir sollten uns bewerben, falls es eine zweite Staffel gäbe. Und sie hatte erst aufgehört zu nerven, nachdem ich ihr klargemacht hatte, dass erstens Mädchen wie wir, die unter eins siebzig sind, ohnehin keine Chance hätten, zweitens ein Rotschopf wie ich diesen Wettbewerb nie gewinnen könne und drittens ich lieber sterben würde, als irgendeiner Heidi Klum oder sonst wem zu erlauben, mit einem Zentimeterband an mir herumzufummeln. (Im Übrigen halte ich mich nicht für besonders attraktiv. Ohne Wimperntusche und Eyeliner habe ich gar kein Gesicht. (Und wenn ich ehrlich sein soll: Meistens bin ich ganz froh, kein Gesicht zu haben. Ich finde, es passt zu mir. (Solange ich meine roten Haare noch hatte, meinte mein Vater, ich würde ihn von Jahr zu Jahr mehr an »die junge Sissy Spacek« erinnern - daraufhin habe ich mir letzten Winter einen Film mit ihr (» Badlands «) ausgeliehen. Und ausnahmsweise muss ich meinem Vater Recht geben. Ein klein wenig sehe ich ihr tatsächlich ähnlich. (Überhaupt fand ich den Film damals nicht so schlecht. Vor allem die Landschaft hat mich fasziniert. Andererseits bezweifle ich, dass ich mir diesen Film nach allem, was passiert ist, noch einmal anschauen werde. Schon damals habe ich die Szene, in der ihr Vater ihren Hund erschießt, fast nicht ertragen.)))))
     
     
    (Ich muss aufpassen, langsam nimmt mein Klammertick wirklich überhand.)
     
     
    Ein paar Idioten blieben auf der Brücke stehen und wollten wissen, ob ich » une actrice « sei. Ich glaube nicht, dass sie mich mit Sissy Spacek verwechselten, denn die muss heute so alt wie mein Vater sein. Andererseits traue ich den Leuten inzwischen alles zu. Normalerweise kann ich in Berlin ja unbehelligt herumlaufen, wenn ich mir einen Schal ums Gesicht wickle und die große Wollmütze überziehe, doch gestern hat mich eine Frau angesprochen, ich sei doch das arme Mädchen, das »sie so lange durch Europa verschleppt hätten«. (Ich frage mich, wer » sie « sein soll, aber gut.) Ich habe der Frau erklärt, dass sie mich leider - oder glücklicherweise! - verwechsele. Daraufhin ist sie noch dichter herangekommen und hat gemeint: Doch, doch, sie sei ganz sicher. Ich habe ihr zum zweiten Mal erklärt, dass sie mich mit jemandem verwechsele, und da ist sie richtig böse geworden. Sie hat mich beschimpft, und wer weiß, was passiert wäre, hätte Tinka sie nicht in die Flucht gebellt. Es macht mich sprachlos, mit welcher Selbstverständlichkeit die Leute davon ausgehen, dass sie ein Anrecht darauf hätten, einen anzuquatschen, nur weil sie einen im Fernsehen gesehen haben. (Ich stelle mich doch auch nicht bei Judith Holofernes vor die Tür (die wohnt hier nämlich gleich um die Ecke) und sage: »Hallo, du bist doch die von Wir sind Helden , ich finde deine Musik cool, und deshalb unterhältst du dich jetzt mit mir.«)
    Das Shooting hing mir schnell zum Hals heraus. (Meine Mutter behauptet, ich hätte mich schon als Säugling nur äußerst ungern fotografieren lassen. Was sehr gut möglich ist. Wenn Sie auf irgendwelchen Familienfeier- oder Klassenfotos ein Mädchen entdecken, das den Kopf so gesenkt hält, dass ihr die Haare komplett vors Gesicht fallen, bin ich das.) Meinem Peiniger jedoch bereitete es Vergnügen, mir Unsinn wie: » Sexy! Sexy! Drama! Drama! « zuzurufen, und ich versuchte, mich abzulenken, indem ich zu den Jungs hinübersah, die am anderen Ufer des Gard von einem Felsen aus ins Wasser sprangen. Ich bin zwar nicht der Welt größte Schwimmerin, aber gegen eine Abkühlung hätte ich nichts einzuwenden gehabt. Und einer der Jungs sah nett aus, er winkte mir immer wieder zu, bevor er einen besonders halsbrecherischen Sprung wagte. Dies wiederum bereitete meinem Peiniger kein Vergnügen. Er herrschte mich an, ich solle gefälligst ihn beziehungsweise die Kamera anschauen. Ich erlaubte mir, ein bisschen herumzuzicken, ganz so, als ob ich tatsächlich » une actrice « wäre, bis - ja, bis ich beim besten Willen nicht mehr ignorieren konnte, dass das nächste Unheil bereits vor der Tür stand.
     
     
    Streng genommen stand es nicht vor der Tür, sondern saß auf dem gemauerten Brückengeländer und hörte Musik aus einem iPod . Die beiden blonden

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