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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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übernachten würden. Die ständigen Plastikhotels hatten mich ganz vergessen lassen, dass es auch noch richtige Hotels gab.
    Die Frau an der Rezeption lächelte mir freundlich zu und nannte mich » ma pauvre dame «. (Dreimal dürfen Sie raten, warum sie mich bemitleidete - weil ich durchnässt war... Manche Leute begreifen wirklich gar nichts.) Einen Ausweis wollte die nette Dame nicht sehen, dafür versicherte sie uns, dass das Restaurant bis zweiundzwanzig Uhr geöffnet habe und » très bon « sei. Sollten wir an der » Procession Mariale « teilnehmen wollen, müssten wir uns allerdings beeilen, da diese in einer halben Stunde beginne.
    Alles, was mein Peiniger zunächst wollte, war ein großes Steak. (Ich begnügte mich mit einem Fromage blanc .) Als ich ihn fragte, ob die Patronne nur deshalb so arglos sei, weil wir uns an einem Wallfahrtsort befänden, sagte er, dass es die französischen Patrons - im Gegensatz zu den belgischen und spanischen - mit der Meldepflicht ihrer Gäste auch an profaneren Orten nicht so genau nähmen.
    Eigentlich war ich sehr müde, dennoch stimmte ich sofort zu, als er nach dem Essen vorschlug, etwas für unser »Seelenheil« zu tun. Als wir das Zimmer kurz betreten hatten, um die Sporttasche abzustellen, hatte ich sofort registriert, dass darin lediglich ein Doppelbett stand, sprich: Ich würde die Nacht entweder unter derselben Decke verbringen müssen wie mein Peiniger - oder angekettet an der Heizung.
     
     
    Mein Vater wäre nie mit mir nach Lourdes gefahren. Wann immer ihn jemand nach seinem Glauben fragt, antwortet er, dass er zwar römisch-katholisch getauft sei, sich heute jedoch allenfalls noch als »skeptisch-katholisch« bezeichnen würde. Bei einem unserer Südfrankreichurlaube - diesmal waren wir unterwegs gewesen, um prähistorische Höhlen zu besichtigen - hatte meine Mutter vorgeschlagen, einen Abstecher zu dem berühmten Wallfahrtsort zu machen. Mein Vater hatte nur geantwortet, dass ihn allenfalls »transmundane Kräfte«, jedoch keine irdische Macht dazu bringen könne, einen Fuß in dieses »Disneyland des Katholizismus« zu setzen.
    Mein Peiniger lachte, als ich ihm diese Geschichte auf demWeg durchs nächtliche Lourdes erzählte. Jedoch meinte er, dass mein Vater mit »Disneyland« nicht ganz das richtige Bild getroffen habe. In seinen Augen sei Lourdes eher mit Las Vegas zu vergleichen. Der einzige Unterschied bestünde darin, dass sich in der amerikanischen Wüstenspielhölle wenigstens manchmal ein Wunder ereigne, während diejenigen, die aus aller Welt anreisten, um hier Heilung zu suchen, mit Sicherheit nur ihr letztes Geld, aber keinen einzigen Nierenstein, geschweige denn ihren Krebs loswürden.
    In der Tat schoben viele der Wallfahrer, die trotz der späten Stunde noch zahlreich in Richtung Heiligtum strömten, Angehörige in Rollstühlen vor sich her (auf der Hauptstraße gab es sogar eine eigene, rot markierte Rollstuhlspur), und in der Tat sahen sie nicht so aus, als ob sie sich die weite Reise aus Lateinamerika oder von den Philippinen wirklich leisten könnten.
    Da ich weder im Disneyland noch in Las Vegas gewesen bin, vermag ich nicht zu beurteilen, welche der beiden Beschreibungen die angemessenere ist. Tatsache ist, dass in den Geschäften - die alle noch geöffnet hatten - Kitsch vom Feinsten zu kaufen war: Marienschneekugeln, phosphoreszierende Rosenkränze, Papstbuttons und glitzernde Skulpturen der heiligen Bernadette mit ihren Schafen - so hieß nämlich das Bauernmädchen, dem im vorletzten Jahrhundert ein paarmal die Jungfrau Maria erschienen war und dem die Jungfrau die Quelle im Fels gezeigt und damit den ganzen Hype ausgelöst hatte. Vor allem aber gab es Kanister und Flaschen in sämtlichen Größen und Formen. Am lustigsten fand ich die Plastikflaschen in Mariengestalt, weil sie mich an jene künstlichen Grundschulpausengetränke erinnerten, bei denen man zum Öffnen oben den Plastikzipfel hatte abzwirbeln müssen. Ich wunderte mich lediglich, dass die Behältnisse leer waren, weshalb ich meinen Peiniger fragte, ob das berühmte Wasser knapp geworden sei. Lachend sagte er, dass ich dies gleich selbst überprüfen solle. In einem Anfall von guter Laune und Großzügigkeit schenkte er mir einen Glasflakon, der mit einem medaillonartigen Aufkleber verziert war, auf dem eine winzige Bernadette vor einer deutlich größeren Jungfrau Maria kniete.
     
     
    Der Schuss. Die Vögel.
     
     
    Als wir das Heiligtum endlich - auf unseren

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