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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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angeschrieen, dann mich, dann hat sie den Gänsebraten genommen und in den Müll geschmissen. Anschließend ist sie ins Schlafzimmer gegangen und hat geheult. Als keiner von uns beiden rübergegangen ist, um sie zu trösten, ist sie selbst wieder ins Wohnzimmer zurückgekommen. Sabbernd und schniefend hat sie mich um Verzeihung gebeten, dass sie mich angeschrieen habe - ich dürfe tun und lassen, was ich wolle, so traumatisiert wie ich sei - aber er - und dabei hat sie mit zitterndem Zeigefinger in Richtung meines Vaters gehackt - er solle nicht noch einmal wagen, »ihre Gefühle derart mit Füßen zu treten«. Das Ende vom Lied war, dass mein Vater tatsächlich in die kleine Pension gegenüber gegangen ist, sein Aftershave eingepackt und sich ein Taxi zum Flughafen genommen hat, während ich mich samt Tinka in meinen nagelneuen Golf gesetzt habe und in einem Rutsch bis nach Berlin gefahren bin.
     
     
    Da fällt mir auf: Du weißt ja noch gar nicht, dass ich tatsächlich nach Berlin gezogen bin. Mein Manager hat mir eine Wohnung besorgt. Sie hat nur eineinhalb Zimmer, aber dafür sind die Wände fast vier Meter hoch, und der Volkspark Friedrichshain ist ganz in der Nähe. (Natürlich hätte ich mir auch eine größere Wohnung leisten können, ich bin ziemlich reich jetzt, aber ich habe gemerkt, dass ich mich in einer größeren Wohnung nicht wohl fühlen würde.)
    Ich kann Dir nicht beschreiben, wie sehr ich mein neues Leben genieße: aufstehen und schlafen gehen, wann ich will. (Spät, früh, mitten in der Nacht, egal.) Staub saugen und Geschirr spülen, wann ich will. (So ziemlich nie.) Essen, was ich will. (So ziemlich nichts.) Keine Mutter, die mich - wenn sie mich nicht gerade zu mästen versucht - dauerbequatscht, dass ich wieder zur Therapeutin gehen soll. (Ich bin sicher, Du hättest viel Freude mit meiner Dr. de Sousa gehabt. Dir müssen die Ohren geklingelt haben, so oft haben wir über Dich und Deine »schwere narzisstische Persönlichkeitsstörung« geredet...) Kein Vater, der mich »auf gar keinen Fall drängen möchte«, aber dennoch enttäuscht ist, weil sein kleines Genie nicht mit dem Studium beginnt. (Was soll ich, nach allem, was wir erlebt haben, mit Germanisten-, Anglisten- und Philosophengeschwätz anfangen?! Vor ein paar Wochen habe ich mich spaßeshalber mal in ein Seminar hineingesetzt - nicht zum Aushalten. (Nicht einmal für eine Abifotze wie mich. »Die Poetik des Wassers in der englischen Moderne«...) Der Chef der Studienstiftung des Deutschen Volkes hat mir übrigens einen langen Brief geschrieben, dass sie in meinem Fall selbstverständlich eine Ausnahme machen würden und ich jederzeit später an dem Auswahlverfahren für ein Stipendium teilnehmen könne - wann immer ich mich »geistig und seelisch hinreichend gefestigt« fühlen würde … Himmel, ich möchte wissen, in welcher Welt diese Leute leben.
     
     
    Es ist so viel passiert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, dass ich gar nicht weiß, wo ich mit dem Erzählen anfangen soll. Außerdem bin ich jetzt doch ziemlich müde. (Die lange Fahrt.) Ich schreibe Dir morgen wieder, versprochen!
     
     
    Liebe Grüße von
    Deiner Julia,
    (die Dich schrecklich vermisst...)
    PS: Tinka winkt mit der Pfote. Und sagt, dass sie Dich sehr gern kennen gelernt hätte.

Lieber David!
    Nun hat es doch ein paar Tage gedauert. (Aber ich denke, dort, wo Du bist, kommt es auf den einen oder anderen Tag nicht an...)
    Ich will nicht lange herumreden: Ich bin dabei, unsere Geschichte aufzuschreiben. Deshalb hatte ich die letzten Tage keine Zeit, Dir zu schreiben.
    Bist Du jetzt böse?
    Ich hoffe, nicht.
    Wir haben zwar nie ausdrücklich darüber gesprochen, aber ich denke, auch Du hast immer gewollt, dass unsere Geschichte nicht einfach vorübergeht - und sobald die Medien sie ausgeweidet haben, nur noch vergessen wird. (A propos: Wenn Du glaubst, das, was wir am Schluss in Spanien erlebt haben, wäre ein Medienzirkus gewesen, dann hättest Du sehen sollen, was los war, als ich in Köln-Bonn angekommen bin. (Von meinen Interviews und Fernsehauftritten muss ich Dir bei Gelegenheit erzählen, aber jetzt will ich mich auf das Eigentliche konzentrieren.))
    Ich habe mich also hingesetzt und angefangen, unsere Geschichte aufzuschreiben. Der Titel soll » Schwarzer Sommer « sein - das ist doch gut, nicht wahr? (Jetzt sag bitte nicht, dass Du Dich nicht mehr erinnerst - an jenen kaputten Schriftzug auf der Auberge de la Tête Noire ... ETE NOIR ...

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