Maedchenmoerder Ein Liebesroman
weiß?)
Immerhin hast Du die Höflichkeit besessen, die Spuren Deines Nachmittags zu beseitigen, bevor Du mich in den VW-Bus zurückgetragen hast. (Nur ein Laken mit rostbraunem Fleck hast Du übersehen - allerdings hätte der Fleck auch gut älteren Datums sein können.) Und wenn ich daran denke, dass Du Dir während meines Blackouts tatsächlich die Mühe gemacht hast, meine Oberschenkel mit Whisky zu desinfizieren und zu verbinden, kann ich Dir schon fast nicht mehr böse sein.
Damals habe ich es nicht wirklich realisiert, weil ich Dich nicht so leicht davonkommen lassen wollte - aber wie sehr hatte sich Dein Verhalten mir gegenüber seit Arles verändert! Nach dem Stierkampf hättest Du mich lieber umgebracht, als auch nur ein Viertel Auto nach einem alten Verbandskasten zu durchwühlen …
Den Rat, den Du mir auf unserer Fahrt in die Sierra Nevada gegeben hast, habe ich übrigens beherzigt: Hier in Berlin habe ich mir eine Massagebürste gekauft, mit der ich meine Wunden jetzt immer aufschrubbe, sobald sich der erste Schorf gebildet hat. Sie verheilen wirklich viel schneller so. (Ich frage mich, weshalb mir nie ein Arzt oder eine Krankenschwester diesen Trick verraten hat, sondern weshalb ich dazu erst einen Radfahrer treffen musste...)
Ohne die Sache mit den Hippies entschuldigen zu wollen: Wer weiß, ob unsere Nacht in der Sierra Nevada so schön geworden wäre, hättest Du mich am Nachmittag nicht so leiden lassen. (Von wem stammt der blöde Spruch, es sei das Schöne am Schmerz, wenn er nachlässt?)
Wieder einmal musste ich Dich dafür bewundern, wie gut Du Dich in den verschiedensten Gegenden auskanntest - ich hätte das winzige Sträßchen zu dem stillgelegten Elektrizitätswerk garantiert übersehen. Und was für ein Glück, dass Du auf der Suche nach dem Verbandskasten auch eine Kiste mit Lebensmitteln entdeckt hattest. Zusammen mit den Kräutern, die ich gesammelt habe, sind die Spaghetti und Dosentomaten das beste Essen auf unserer ganzen Reise gewesen. Nur schade, dass die Kastanien noch nicht ganz reif gewesen sind und dass wir kein Lagerfeuer machen konnten. (In der Nacht habe ich in meinem Kleid tatsächlich gefroren.) Aber natürlich hast Du Recht gehabt, es wäre viel zu riskant gewesen. Am frühen Abend waren wir schließlich an einem Waldbrand vorbeigekommen, und ich kann verstehen, dass die spanische Polizei deshalb mit Lagerfeuern keinen Spaß versteht. (Die Geschichte, die Du mir beim Kochen erzählt hast, wie Ihr bei einem Rennen ganz in der Nähe beinahe von einem Feuer eingeschlossen worden wärt, weil irgendein Rennleiter zu spät informiert worden sei, verursacht mir immer noch Gänsehaut.)
Auch wenn es nichts mehr bringt, das Thema noch einmal anzuschneiden: Hat Dir jene Nacht nicht bewiesen, dass wir wunderbar zu zweit in der Wildnis hätten leben können? Ich hätte absolut nicht erwartet, dass Du Dich immer so rührend um mich kümmern würdest wie nach dem Essen, als Du meine Verbände gewechselt und mich »verrücktes Huhn« genannt hast. Es hätte mir voll und ganz genügt, in eine Wolldecke gewickelt im Gras zu liegen, den Eukalyptusgeruch einzuatmen, den bewölkten Himmel zu betrachten, einem schimpfenden Nachtvogel zu lauschen und Dich zu fragen, ob Du nicht auch fändest, dass er wie eine keifende Ehefrau klingen würde, die ihrem heimkehrenden Mann eine Szene macht. Und so wie ich in jener Nacht nur ein bisschen traurig gewesen bin, als Du Dich zum Schlafen in den VW-Bus verzogen hast, hätte ich Dich auch in all den anderen Nächten nie zu bedrängen versucht, sondern wäre einfach glücklich gewesen, in der Natur zu sein und Dich in meiner Nähe zu wissen.
Lieber David!
Tinka ist der tapferste Hund der Welt. Heute Morgen hat ihr der Arzt mit einer Nadel in den Rücken gestochen, und sie hat noch nicht einmal gewinselt. Er meint, dass wir mindestens drei, vier Tage Geduld haben müssen. Das Labor könne leider nicht schneller arbeiten. Ich habe ihn angefleht, alles zu versuchen, und er hat mir versprochen, »Druck« zu machen. (Manchmal hat es sein Gutes, »Promi« zu sein.)
Allerdings habe ich anschließend einen heftigen Streit mit meiner Mutter gehabt. Seit Tagen quatscht sie mir die Mailbox voll, sie mache sich Sorgen, weil ich mich in diesem Jahr noch nicht gemeldet habe. Vorhin habe ich sie also endlich angerufen - und glaubst Du, dass sie mich in irgendeiner Weise ernst genommen hätte? Sie hat nur gelabert, ich solle abwarten, ich
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