Maedchenmoerder Ein Liebesroman
frisch gefärbter Sturmfrisur. (Ich frage mich, was Du den Parkhütern erzählt hättest, wenn sie in diesem Moment vorbeigekommen wären...)
Als es in meinem Rücken zu plätschern begann, habe ich versucht, etwas von jener Hochstimmung wiederzufinden, die ich empfunden hatte, als wir mit unserer Hermana Lucía ins Vallée d’Ossoue gefahren sind. Es ist mir nicht gelungen. Und als ich Dein Gesicht betrachtete, während Du die Tür zugeworfen und Petra befohlen hast, sie solle weiterfahren, konnte ich darin ebenfalls nichts von dem wilden Leuchten entdecken, das ich in den Pyrenäen gesehen hatte. Nur Dein Stolz und Deine Wut zwangen Dich, zu Ende zu bringen, was Du begonnen hattest.
Warum hast Du mich nicht erschossen, als ich in den Bergen davongerannt bin? War das, was diese beiden Hippies auf Deinen Befehl hin taten, wirklich so aufregend, dass Du noch nicht einmal Zeit hattest, mich zu erschießen?
David, es ist kein leeres Gerede: An jenem Nachmittag in der Sierra Alhamilla , deren Namen ich in keinem stinkenden Atlas nachschlagen muss, weil ich Zeit genug hatte, auf den Schriftzug » Sierra Alhamilla Agua Mineral « zu starren, der auf der Wand der alten Mineralwasserfabrik schon fast verblasst war, wollte ich sterben. Wie konnte ich Dich weiter bewundern, wenn es Dir gefiel, dabei zuzuschauen, wie eine heulende Schlampe mit einer sinnlos kichernden Schlampe Dinge tat, die sie sonst vielleicht auch tat, aber bei denen ich ganz gewiss nicht dabei sein wollte? Warum konntest Du Deinen Hunger nicht einfach stillen, wie Du ihn in der Camargue gestillt hattest? Warum wolltest Du mich zwingen, bei diesem unwürdigen Schauspiel mitzumachen? Ich musste aus diesem VW-Bus rennen, in dem es nach Dope und Schweiß stank, und wenn Du mich in diesem Moment erschossen hättest, wäre es mir vollkommen recht gewesen.
An jenem Nachmittag hat mich einzig gerettet, dass Du, um alles, was zwischen uns gewesen ist, so sinnlos zu zerstören, wenigstens ein Gelände gewählt hattest, auf dem genügend zerbrochene Fensterscheiben und Flaschen herumlagen.
Nie zuvor hatte ich mir die Oberschenkel mit Glas geritzt. Der Schmerz war anders: Weniger klar und scharf, als wenn ich mit meinen üblichen Rasierklingen schnitt. Dennoch begrüßte ich das Gefühl wie den guten Freund eines alten Freundes.
Vom ungewohnten Schmerz wurde mir schwindlig, ich musste mich gegen die Wand lehnen, deren hellblaue Farbe nur noch zu erahnen war. Wenn ich den Kopf zur Seite drehte, spürte ich den warmen Stein an meiner Wange. Ich blickte in eine Art Canyon, von der ich bislang geglaubt hatte, dass es sie nur in Amerika geben würde. Oben an der Plateaukante brach der Fels senkrecht ab, wie mit dem Lineal gezogen schichtete sich gelbliches auf rötliches Gestein, nach unten hin liefen die Wände in grünliche Geröllkegel aus. Zwei oder drei Jahre ist es her, dass ich alle meine Kindheitsposter zum Altpapier getan hat. Nur das Grand-Canyon-Plakat, das mir mein Onkel von seiner Amerikareise mitgebracht hat, durfte hängen bleiben.
Für einen kurzen Moment war ich froh, noch am Leben zu sein, weil ich ungern von dieser Welt gegangen wäre, ohne den Grand Canyon gesehen zu haben. Aber dann hörte ich eine Frau schreien und eine andere aufheulen. Den Schmerz, den diese Geräusche verursachten, konnte ich nur bekämpfen, indem ich nach einer neuen Glasscherbe griff und diese quer über meinen anderen Oberschenkel zog.
Unten im Canyon war eine Oase mit hohen, dichten Palmen, und ich fragte mich, ob dort jemand wohnte und ob dieser jemand nicht hörte, wie elend es in der alten Mineralwasserfabrik schrie. Ich merkte, dass ich kurz davor war, ohnmächtig zu werden. (Normalerweise macht mir ein bisschen Ritzen nichts aus, doch die Hitze, die Übelkeit und der ungewohnte Schmerz setzten mir zu.) Bevor meine Beine endgültig nachgaben, ließ ich mich freiwillig auf den Boden sinken. Ich drehte meinen Kopf zur anderen Seite und freute mich, in der Ferne das Meer zu sehen. Doch dann begriff ich, dass es nicht das Meer war, das glitzerte, sondern das Plastik der endlosen Gewächshäuser. Und dann wurde es schwarz.
Jetzt weißt Du also, wie es mir in der Mineralwasserfabrik ergangen ist. Was Du dort im Einzelnen getrieben hast, will ich gar nicht wissen.
(Wenn es wenigstens eine Fabrik Deines ehemaligen Sponsors gewesen wäre... Oder hattest Du auch mit » Sierra Alhamilla Agua Mineral « eine »offene Rechnung«, von der ich nichts
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