Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Trip ich gewesen bin - ich habe Möwen gezählt. Nein, das stimmt nicht. Zunächst habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, die Landschaft am »Katzenkap« zu überfliegen, ob die krüppeligen Zwergpalmen aus der Luft überhaupt noch wie Palmen aussähen und ob die Felszungen, die ins Meer ragten, genauso rasch im Dunst verschwinden würden wie von hier aus betrachtet.
Mit dem Möwenzählen habe ich erst begonnen, als Petra mit ihrem Geschrei begonnen hat. (»Ey, Scheiße, tu die weg!«) Und als »Doro« dann auch noch zu kichern anfing und ihr albernes »Peng! Peng!« machte, ist es wirklich kompliziert geworden. Trotzdem, ich habe mich nicht ablenken lassen. (Meine Angst, von der Polizei gefasst zu werden, hatte sich beruhigt wie das Meer, das unter uns lag. Und meine Angst vor dem, was bald geschehen würde, trieb dahin wie ein Ölfleck, der nur langsam wächst.) Erst in dem Moment, in dem Du erklärt hast, dass wir nun alle einen Ausflug in die Berge machen würden, weil es in den Bergen noch viel schöner sei, habe ich mit dem Zählen von vorn anfangen müssen. Deshalb habe ich so gemault, als Du mich am Arm gepackt und in den stinkenden Campingbus gezerrt hast.
Im Nachhinein erscheint es mir unfassbar, dass wir an jenem Nachmittag überhaupt heil in den Bergen angekommen sind. Selbst wenn Petra weniger zugedröhnt gewesen ist als »Doro«, dürfte auch sie nicht mehr ganz fahrtauglich gewesen sein. Und ob ihre Fahrtauglichkeit dadurch erhöht wurde, dass sie ununterbrochen geflucht und geheult hat und Du sie ständig angebrüllt hast, sie solle keine Dummheiten machen, ihre Freundin hier hinten sei schneller tot, als sie bremsen könne, wage ich zu bezweifeln … Dass Du bei dem katastrophalen Geruckel und Gehüpfe nicht aus Versehen abgedrückt hast, gleicht einem Weltwunder .
Nicht weiter erstaunlich hingegen war es, dass ich mich auf unserer Fahrt schon wieder übergeben musste. Vielleicht hätte ich mir den stinkenden Fetzen nicht übers Gesicht legen sollen, den ich mir, gleich nachdem Du mich auf das Matratzenlager gestoßen hattest, irgendwo gegriffen hatte. (Aber ich hatte wirklich nicht mit anschauen können, wie Du »Doro« in bekannter Manier die Pistole an den Kopf gehalten hast und dieses arme Kifferchen trotzdem weiterlachte.) Vielleicht hätte ich, nachdem ich mir den Fetzen vom Gesicht gezogen hatte, die Übelkeit im Griff behalten können, wenn die braunen Vorhänge nicht gewesen wären, die ringsherum wie in Seenot tanzten. Und als ich bei dem einen Schlagloch mit dem Kopf gegen die unverschalte Metallwand geknallt bin, musste ich einfach um einen Kotzstopp bitten.
Es wäre mir wirklich lieber gewesen, wenn »Doro« in diesem Augenblick nicht kichernd ergänzt hätte, dass sie »pullern« müsse und es dadurch zu dieser merkwürdigen »Mädchensolidarität« zwischen uns gekommen ist. Ich kann verstehen, dass Du geflucht hast, »jetzt drei so bescheuerte Fotzen« am Hals zu haben. (Andererseits: Wer hat Dich gezwungen, den VW-Bus mit den beiden Hippies zu entführen... Ich hatte vorgeschlagen, in aller Ruhe noch einmal zum Ford zurückzugehen, einen Apfel zu essen und zu warten, bis die beiden wieder verschwunden waren.) Jedenfalls bin ich froh, dass Du Deine Drohung, es sei Dir egal, wenn wir den Bus »vollkotzen und -pissen« würden, nicht wahr gemacht, sondern Petra aufgefordert hast anzuhalten.
Auch wenn mich meine Mutter imVerdacht hat, »bulimisch« zu sein: Ich genieße es keineswegs, mich zu übergeben. Am »Katzenkap« ist es mir sogar fast noch unangenehmer gewesen als in dem Hotelzimmer in Murcia. Die armen Agaven hatten es nun wirklich nicht verdient, von mir auch noch vor die abgestorbenen Stauden gekotzt zu bekommen. Aus irgendwelchen Gründen habe ich an die Agave denken müssen, die ich vor Jahren an der Côte d’Azur ausgegraben hatte und die seither auf meinem Fensterbrett in Köln-Deutz stand. (Nach meiner Rückkehr habe ich natürlich vergessen, ihr zu sagen, dass sie nicht traurig darüber sein sollte, dass sie nie blühen würde. (Vielleicht hätte ich sie doch nach Berlin mitnehmen sollen.))
Von außen betrachtet, müssen wir ein ziemlich lustiges Bild geboten haben: Ein heulendes Rastamonster am Steuer eines Göttinger VW-Busses, in der offenen Schiebetür ein Mann mit Pistole im Anschlag, im rötlichen Sand davor ein zweites Rastamonster, das kichert, es »könne« nicht, wenn einer zuschaue, und in der toten Botanik ein kotzendes Mädchen mit
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