Maenner fuers Leben
will, woher ich den Auftrag habe.
Aber er sagt nur: «Cool», statt sich nach Einzelheiten zu erkundigen, und jetzt fühle ich mich unwillkürlich ein wenig vernachlässigt, wenn nicht gar missachtet. Schließlich reden wir auch immer über seine Fälle und über die zwischenmenschliche Dynamik im Büro – über alles, was zwischen ihm und seinem Vater und den anderen Anwälten vorgeht. Er probt seine Eröffnungs- und Schlussplädoyers routinemäßig vor mir. Und letzte Woche bin ich zum Höhepunkt der Beweisaufnahme in einem Versicherungsfall mitgekommen; ich habe aufgedonnert ganz vorn im Gerichtssaal gesessen und ihn lautlos angefeuert, als er den angeblich schwerverletzten Kläger, der in einem Ganzkörper-Gipsverband erschienen war, durch das Labyrinth seiner Lügen führte, bevor er schließlich ein Video vorführte, auf dem der Kerl beim Frisbee-Spielen im Piedmont Park zu sehen war. Nachher im Wagen haben wir uns kaputtgelacht.
Und jetzt – etwas Besseres kriege ich nicht zu hören, wenn es um meine Arbeit geht? Nur ein cool ?
«Ja», sage ich und stelle mir vor, wie ich Seite an Seite mit Leo arbeite. «Dürfte ganz gut werden.»
«Hört sich gut an», sagt Andy, als Tiger einen langen Putt versucht. Der Ball rollt geradewegs zum Loch, fällt hinein und hopst wieder heraus. Andy schlägt mit der Faust auf den Couchtisch und schreit: «Verdammt! Wieso geht der nicht rein?»
«Wie jetzt – ist er nun einen Schlag im Rückstand?», frage ich.
«Ja. Und den hätte er wirklich gebraucht.» Andy schüttelt den Kopf und biegt den Schirm an seiner grünen «Masters»-Kappe zusammen, die er abergläubischerweise immer trägt, um seinem Idol Glück zu bringen.
«Tiger gewinnt immer», sage ich, während die Kamera auf seine verliebte, hinreißende Frau zoomt.
Unversehens frage ich mich, wie solide die Ehe dieser beiden wohl sein mag. Andy sagt: «Nicht immer.»
«Sieht aber so aus. Du musst auch mal einem anderen eine Chance geben.» Ich ärgere mich ein bisschen über Andy, aber ich bin auch entsetzt über mich selbst, weil ich hier versuche, eine Debatte über etwas so Unstrittiges wie den allgemein verehrten Tiger Woods anzuzetteln.
«Ja», sagt Andy, als hätte er mich kaum gehört. «Wahrscheinlich.»
Ich drehe mich zu ihm um und sehe ihn an; ich betrachte den sexy Bartwuchs, wie ein Schatten auf seinem Kiefer, seine Ohren, die ein bisschen abstehen, wenn er eine Kappe trägt, und das beruhigende Blau seiner Augen, die genau zu den azurfarbenen Streifen in seinem Polohemd passen. Ich rutsche auf der Couch an ihn heran, schließe die Lücke zwischen uns, und unsere Schenkel berühren sich. Ich hake mich bei ihm unter und lege den Kopf an seine Brust. Dann schließe ich die Augen und befehle mir, nicht so gereizt zu sein. Es ist nicht fair, Andy den Prozess zu machen, zumal dann nicht, wenn er nicht ahnt, dass über ihn geurteilt wird. Ein paar Minuten lang bleiben wir in dieser behaglichen Position; ich lausche der einlullenden Stimme des Kommentators und dem gelegentlichen Beifall des ansonsten respektvoll schweigenden Publikums, und ich sage mir immer wieder, dass ich glücklich bin.
Aber dann geht für Tiger etwas daneben, und Andy springt kerzengerade hoch, fuchtelt mit den Armen und redet mit dem Fernsehapparat. So viel Unterstützung habe ich seit Wochen nicht von ihm bekommen. «Jetzt komm schon, Junge! Wenn’s drauf ankam, hast du den noch nie vermasselt!» Ich kann es nicht ändern – wieder rege ich mich auf.
Kein Wunder, dass wir Probleme haben , denke ich. Mein Mann bringt mehr Leidenschaft für Golf – sogar für Golf im Fernsehen – als für unsere Beziehung auf.
Ich beobachte ihn noch ein Weilchen, und mit einem Mal habe ich überhaupt kein schlechtes Gewissen mehr, dass ich nach New York fahre. Schließlich stehe ich auf, gehe die Treppe hinauf, suche mein Handy hervor und rufe Leo an.
Er meldet sich beim vierten Klingeln und ist ein bisschen außer Atem, als sei er zum Telefon gerannt.
«Sag nicht, du hast es dir anders überlegt», höre ich, bevor ich hallo sagen kann.
Ich lächle. «Auf keinen Fall.»
«Das heißt, du kommst?»
«Ich komme.»
«Sicher?»
«Ja», sage ich. «Sicher.»
«Wann?»
«Nächsten Montag.»
«Cool», sagt Leo – genauso, wie Andy unser Gespräch vorhin beendet hat.
Ich starre an die Decke und wundere mich, dass dasselbe Wort so anders klingt, wenn es von Leo kommt. Dass sich überhaupt alles so anders anfühlt bei Leo.
Am nächsten
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