Maenner fuers Leben
lange miteinander gesprochen. Ich glaube, wir wollten beide nur wissen, ob es dem andern gutging. Und sicher sein, dass keiner dem anderen etwas übelnahm.»
«Und? Hast du ihr etwas übelgenommen, oder sie dir?» Leo und ich haben ein solches Gespräch niemals geführt. Wir haben nie einen richtigen Schlussstrich ziehen können, wenn man diesen Nachtflug nicht mitrechnet – und der war’s natürlich auch nicht.
«Nein.» Andy setzt sich auf und fragt sanft: «Worauf willst du hinaus?»
«Auf nichts», sage ich. «Ich bin nur … Ich will nur, dass du weißt, es ist okay, wenn du noch etwas mit ihr zu tun hast … wenn du mit ihr befreundet sein willst.»
«Komm schon, Ell. Du weißt, dass ich kein Bedürfnis habe, mit Lucy befreundet zu sein.»
«Warum nicht?»
«Ich hab’s einfach nicht. Zum einen habe ich überhaupt keine Freundinnen. Und außerdem … ich kenne sie gar nicht mehr.»
Über diese Worte muss ich nachdenken, und mir wird klar, dass ich dieses Gefühl bei Leo nie hatte, trotz des üblen Endes und obwohl wir jahrelang nichts miteinander zu tun hatten. Vielleicht wusste ich nichts über die alltäglichen Details seines Lebens, aber ich hatte nie das Gefühl, ihn nicht mehr zu kennen.
«Das ist traurig», sage ich nachdenklich, obwohl meine Situation ja eigentlich viel trauriger ist. Und zum allerersten Mal frage ich mich unversehens, wie es wäre, wenn Andy und ich jemals unserer eigenen Wege gehen sollten. Wie wir nach der Trennung miteinander umgehen würden. Ich schiebe den Gedanken beiseite und sage mir, das kann niemals passieren. Oder doch?
«Was ist daran so traurig?», fragt Andy beiläufig.
«Ach, ich weiß nicht …» Ich spreche nicht weiter.
Andy dreht sich zu mir um. Meine Augen gewöhnen sich langsam an die Dunkelheit.
«Was beschäftigt dich, Ell?», fragt er zärtlich. «Zerbrichst du dir den Kopf wegen Lucy?»
«Nein», sage ich hastig. «Überhaupt nicht. Es war wirklich nett, sie kennenzulernen.»
«Okay», sagt er. «Gut.»
Ich schließe die Augen und weiß, der Augenblick der Wahrheit ist gekommen. Ich räuspere mich, fahre mir mit der Zunge über die Lippen und schinde noch ein paar Sekunden Zeit.
«Andy», sage ich schließlich, und meine Stimme fängt an zu zittern. «Ich muss dir etwas sagen.»
«Was denn?», fragt er leise.
Ich hole tief Luft und atme wieder aus. «Wegen des Shootings morgen.»
«Was ist damit?» Er legt eine Hand auf meinen Arm.
«Das Shooting ist … mit Leo.» Ich bin erleichtert, und zugleich ist mir übel.
«Mit Leo? Deinem Ex-Freund?»
Ich zwinge mich zu einem Ja.
«Was heißt das, mit Leo?», fragt Andy.
«Er schreibt den Artikel.» Ich wähle meine Worte sorgfältig. «Und ich mache die Fotos.»
«Okay.» Er knipst seine Nachttischlampe an und schaut mir in die Augen. Dabei sieht er so ruhig und vertrauensvoll aus, dass ich zum ersten Mal wirklich daran denke, die Sache abzusagen. «Aber wieso? Wie ist das zustande gekommen?»
«Ich habe ihn in New York getroffen.» Ich weiß, dass ich viel zu wenig gestehe. Und viel zu spät. «Er hat mir einen Job angeboten …»
«Wann war das?» Andy bemüht sich ganz offensichtlich sehr, im Zweifel zu meinen Gunsten zu urteilen, aber ich sehe doch, dass der Anwalt in ihm erwacht. «Wann hast du ihn getroffen?»
«Vor ein paar Monaten. Es war weiter keine große Sache …»
«Und warum hast du es mir dann nicht erzählt?» Das ist eine naheliegende Frage und natürlich die Crux der ganzen Angelegenheit. Schließlich war es eindeutig doch eine große Sache – und das alles hat an jenem Wintertag auf der Kreuzung angefangen, als ich nach Hause ging und zum ersten Mal beschloss, meinem Mann etwas zu verheimlichen. Eine Sekunde lang frage ich mich, ob ich anders handeln würde, wenn ich noch einmal zurückkönnte.
Ich zögere und sage dann: «Ich wollte dich nicht beunruhigen.»
Das ist die Wahrheit. Die Wahrheit eines Feiglings, aber trotzdem die Wahrheit.
«Dadurch, dass du es mir nicht erzählt hast, ist es doch eine große Sache geworden.» Seine Augen sind groß.
«Ich weiß», sage ich. «Es tut mir leid. Aber ich … ich will den Job wirklich haben … diese Art Arbeit.» Ich bemühe mich, das Ganze harmlos aussehen zu lassen. Im Grunde meines Herzens glaube ich wirklich, dass die Arbeit einer der Gründe ist, weshalb ich nach New York will. Ich brauche in meinem Leben mehr als ein schönes großes Haus, in dem ich sitze und darauf warte, dass mein Mann nach Hause
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