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Maenner fuers Leben

Maenner fuers Leben

Titel: Maenner fuers Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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Erinnerung an eine traurige Zeit? Nichts davon scheint mir richtig zu sein; also klebe ich den Zettel einfach wieder auf den Block und richte die Ränder sorgfältig aus, damit es aussieht, als hätte ich ihn nie angerührt, nie gelesen. Ich werfe noch einen Blick darauf, und mir ist ganz elend zumute, als ich denke, dass wir jetzt ein Paar sind, das nicht nur mitten in der Nacht streitet, sondern sich auch Post-it-Zettel mit ultimativen Forderungen in der Küche hinterlässt.
    Vielleicht sind wir sogar ein Paar, über das die Leute von Buckhead beim Cocktail im Club tratschen. Habt ihr das von Ellen und Andy gehört? Habt ihr gehört, was sie getan hat? Und wie er ein Machtwort gesprochen hat?
    Ich kann sie hören, die Ginnys dieser Welt: Und dann? Was ist dann passiert?
    Sie ist gegangen.
    Und dann hat er sie verlassen.
    Ich stehe lange an der Theke und sehe Bilder aus der fernen Vergangenheit und dann aus der jüngsten Vergangenheit und ein paar Schnappschüsse dazwischen, und ich frage mich, ob ich Andys Worte ernst nehme. Jawohl, erkenne ich. Vielleicht wird er es sich anders überlegen, aber in diesem Augenblick meint er, was er sagt.
    Und trotzdem – es macht mir keine Angst, es gibt mir nicht zu denken, sondern macht mich noch ruhiger, entschlossener, empörter. Ich gehe wieder nach oben und schlüpfe unter die Bettdecke. Wie kann er es wagen, mir ein Ultimatum zu stellen? Er versucht nicht einmal zu verstehen, wie es mir geht. Er treibt mich mit seinen Forderungen in die Enge. Ich versuche, den Spieß umzudrehen und mir Andy vorzustellen – heimwehkrank und voller Sehnsucht, die Verbindung zu jemandem wiederherzustellen. Und plötzlich begreife ich, dass ich deshalb nach Atlanta gezogen bin. Mit ihm. Für ihn. Darum bin ich jetzt hier.
    Ich schlafe ein und träume – wahllose, banale Vignetten: Ich lasse den Sessel in unserem Schlafzimmer mit einer Husse überziehen, ich verschütte süßen Tee über meiner Tastatur, ich schneidere in letzter Minute ein behelfsmäßiges Zigeunerinnenkostüm für eine Halloween-Party in der Nachbarschaft. Lauter Träume, die selbst bei genauer Betrachtung erschreckend belanglos sind, vor allem wenn man bedenkt, dass ich an einem Kreuzweg bin, in einer Krise.
    Als ich endgültig aufwache, ist es vier Uhr neunundfünfzig – eine Minute vor der eingestellten Weckzeit. Ich stehe auf, dusche, ziehe mich an und erledige all die Dinge, die an einem Reisetag nötig sind. Ich trage mein Kamera-Equipment zusammen, ordne die Sachen in meinem Koffer neu, drucke meine Bordkarte aus, sehe sogar nach, wie das Wetter in New York ist. Achtzehn Grad, vereinzelte Schauer. Seltsamerweise kann ich mir nicht vorstellen, wie achtzehn Grad sich anfühlen, vielleicht weil mir so lange so heiß war; also packe ich einfach Regensachen ein, meinen Schirm und einen schwarzen Trenchcoat.
    Die ganze Zeit denke ich an Andys Zettel und sage mir, ich kann immer noch in letzter Minute aussteigen. Wenn die Sonne aufgeht, kann ich beschließen, zu bleiben. Ich kann mit der Schnellbahn zum Flughafen fahren, durch die Sicherheitskontrolle gehen und mich bis zum Gate schlängeln, und dann kann ich immer noch nach Hause zurückfahren.
    Aber im Grunde meines Herzens weiß ich, dass es nicht passieren wird. Ich weiß, ich werde längst weg sein, wenn Andy nach Hause kommt und seine unberührte Nachricht auf unserer Marmortheke findet.

    Fünf Stunden vergehen wie im Nebel, und dann stehe ich in der Schlange am Taxistand in LaGuardia. Geräusche, Gerüche und Bilder sind schmerzhaft vertraut. Zu Hause , denke ich. Ich bin wieder zu Hause . Mehr als Pittsburgh, mehr als Atlanta, mehr als alles andere ist hier mein Zuhause. Hier in dieser Stadt – ja, hier an diesem Taxistand.
    «Wo wollen Sie hin?», fragt ein junges Mädchen hinter mir und reißt mich aus meinen wehmütigen Gedanken. Mit ihren zerrissenen Jeans, dem Pferdeschwanz und einem übergroßen Rucksack sieht sie aus wie eine Studentin. Vermutlich ist sie fast pleite und hofft, sich das Taxi in die Stadt mit jemandem teilen zu können.
    Ich räuspere mich und merke, dass ich den ganzen Tag noch nicht gesprochen habe. «Nach Queens», sage ich und hoffe, sie will nach Manhattan. Ich habe keine Lust auf eine Unterhaltung, aber ich bringe es auch nicht übers Herz, sie abzuweisen.
    «Oh, Mist», sagt sie. «Ich hatte gehofft, wir könnten uns ein Taxi teilen. Ich wollte ja den Bus nehmen, aber ich hab’s ein bisschen eilig.»
    «Wo wollen Sie denn hin?»,

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