Maenner fuers Leben
lebhaften, coolen Frau namens Hillary.
Sabina sagt, Julian soll den Mund halten, und kommt in ihrer engen blauen, am Knie zerrissenen Jeans auf mich zugewieselt. Ihr langes Haar – sie trägt es im Stil der sechziger Jahre – weht hinter ihr her. Sie entschuldigt sich im Voraus für ihren Knoblauchatem und murmelt etwas von Kräutertabletten, von denen sie total begeistert ist, und dann betrachtet sie blinzelnd das Foto, an dem ich arbeite.
«Klasse, die Bewegung da», sagt sie und zeigt auf ein verwischtes Skateboard in der Luft.
Bewegung betrachte ich als meinen größten Schwachpunkt beim Fotografieren, und deshalb weiß ich die Bemerkung zu schätzen. «Danke», sage ich. «Aber was ist mit seinem Kinn?»
Sie hält das Bild ins Licht. «Ich sehe, was du meinst, aber ich denke fast, das Kinn lässt ihn noch übellauniger aussehen … Ist ‹übellaunig› gut für die Anzeige?»
Ich nicke. «Ja. Das Label heißt Bad Ass Records. ‹Übellaunig› ist sicher genau das Richtige.»
Sabina schaut ein letztes Mal hin und sagt: «Aber ich würde seine Nase vielleicht ein bisschen kleiner machen. Die stört mehr als sein schwaches Kinn. Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, wie oft ein schwaches Kinn und eine Riesennase zusammen auftreten? Woran liegt das eigentlich?»
Mein Handy unterbricht Sabina in ihren Gedankengängen.
«Sekunde», sage ich. Vermutlich ist es Margot, die mich im Laufe der letzten Stunde zweimal angerufen hat. Aber als ich auf das Display schaue, sehe ich, dass es Cynthia ist, meine Agentin.
Ich melde mich, und wie immer brüllt sie ins Telefon. «Setz dich hin. Du wirst es nicht glauben !»
Leo kommt mir in den Sinn, aber ich bin immer noch verdattert, als sie die Neuigkeit hervorsprudelt.
« Platform hat angerufen. Die Zeitschrift», schreit sie. «Halt dich fest, Mädel: Die wollen dich für ein Shooting mit Drake Watters für die Titelgeschichte im April!»
«Phantastisch», sage ich langsam. Zunächst mal kann ich nicht fassen, dass Leo die Sache weiterverfolgt hat. Klar, ich habe ihm von meiner Agentin erzählt. Aber ich habe ehrlich nicht geglaubt, dass er so selbstlos sein würde. Ich habe gedacht – und vielleicht sogar gehofft –, der Köder mit Drake sei eher eine Art Machtspielchen, ein Trick, mit dem er mich aus der Deckung locken und mich zwingen wollte, in der Frage einer ans Unschickliche grenzenden Freundschaft Farbe zu bekennen. Jetzt bin ich gezwungen, diese Geste – wenn nicht Leo überhaupt – in einem neuen Licht zu sehen. Und das alles wird natürlich überschattet von der schlichten, schwindelerregenden Aussicht darauf, eine Ikone zu fotografieren.
«Phantastisch?», sagt Cynthia. «Phantastisch ist eine Untertreibung.»
«Unglaublich phantastisch.» Jetzt muss ich lachen.
Sabina, immer neugierig, wenn auch niemals aufdringlich, flüstert: «Was ist? Was?»
Ich kritzle die Worte Platform und Drake Watters auf einen Notizblock. Sie reißt die Augen auf, vollführt einen komischen exotischen Tanz um einen der Pfeiler zwischen der unverputzten Decke und dem Zementboden und stürzt dann zu Julian hinüber, um ihm die Neuigkeit zu berichten. Er blickt auf und zeigt mir lächelnd den Mittelfinger. Wir konkurrieren nicht miteinander, aber wir führen doch eine Strichliste. Bisher lagen er und Sabina solide in Führung mit einem Katie-Couric-Shooting für Redbook draußen in den Hamptons, wo Julian ständig gearbeitet hat, bevor er Hillary heiratete und sie ihn in die Stadt lockte.
«Haben sie gesagt, woher sie meinen Namen haben?», frage ich ruhig, nachdem Cynthia mir ein paar Einzelheiten über das Shooting mitgeteilt hat – dass es in L.A. stattfinden soll und dass die Zeitschrift dreitausend Dollar zahlt, plus Flug, Equipment-Miete, Spesen und den Aufenthalt im Beverly Wilshire Hotel.
«Nein», sagt sie. «Und wen interessiert das auch? Du solltest jetzt feiern, keine Fragen stellen.»
«Okay», sage ich, und ich möchte es schrecklich gern glauben. Schließlich, denke ich mir, als ich ihr danke, auflege und eine Runde Glückwünsche in Empfang nehme, gibt es einerseits Grundsätze, aber andererseits auch sturen, albernen Stolz. Humbug , wie Oscar sagen würde. Und jeder, sogar Andy, würde mir darin zustimmen, dass es sich nicht lohnt, Drake Watters wegen eines Haufens Humbug mit einem Ex-Lover zu opfern.
Zwölf
Ungefähr eine Woche später, nachdem wir ausgiebig und informell gefeiert haben, begießen wir meinen bevorstehenden Drake-Auftrag
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