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Maenner fuers Leben

Maenner fuers Leben

Titel: Maenner fuers Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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Kameraderie mit den anderen Berufstätigen, die mit mir über die Gehwege strömen. Es ist Sabinas und Julians angeregtes Geflachse in unserem Arbeitsraum und der beißende Duft von Oscars Druckerpresse. Es ist das tiefe Stirnrunzeln des Mannes von der Reinigung, der entschlossen die Plastikhüllen von Andys Hemden verknotet und uns dann mit seinem türkischenAkzent einen schönen Tag wünscht, und der fröhlich gezwitscherte Befehl meiner koreanischen Maniküre, ich solle «Lack aussuchen», obwohl sie eigentlich längst wissen muss, dass ich immer meinen eigenen Nagellack mitbringe. Es ist das Schaukeln der U-Bahn, die zügig auf den Gleisen dahinrast, und die Genugtuung, die es bereitet, im Trubel eines Samstagabends im Village ein Taxi zu ergattern. Es sind die Burger bei P. J. Clarke’s, die Dim Sum in der Chinatown Brasserie und die Bagels in meiner Bodega an der Ecke. Es ist das Wissen, dass ich jeden Tag etwas Neues sehen werde, wenn ich aus dem Haus gehe. Es ist die Vielfalt von Möglichkeiten und Menschen, die rohe Schönheit der Großstadt, das endlose Vibrieren der Chancen an jeder Ecke.
    Und Leo. Ständig denke ich an ihn und daran, dass er für mich eng verbunden mit der Stadt ist – und umgekehrt. So eng, dass New York verlassen auch heißt, Leo zu verlassen.
    Aber ich nehme keinen Kontakt mit ihm auf. Obwohl mir mindestens ein halbes Dutzend nahezu perfekte, professionell begründete Vorwände und ebenso viele raffinierte Begründungen dafür eingefallen sind, dass ein etwas klarerer Abschluss für alle Beteiligten besser wäre. Nicht einmal, als die Versuchung so stark wird, dass ich tatsächlich Angst bekomme – so, wie ich sie vielleicht bekäme, wenn ich jemals Kokain ausprobieren sollte.
    Stattdessen halte ich mich standhaft an die hehre Vorstellung von Recht und Unrecht, Schwarz und Weiß, und an meine hundertprozentige Loyalität Andy gegenüber. Als letzte Versicherung achte ich darauf, ihn nach Möglichkeit in meiner Nähe zu haben – und so ist er es eigentlich die ganze Zeit, nachdem er nicht mehr in der Firma arbeiten muss. Ich ermuntere ihn, mich zur Arbeit und zu meinen Shootings zu begleiten, ich schleife ihn mit ins Fitness-Studio, und ich plane die Mahlzeiten so, dass wir immer zusammen essen. Dauernd bahne ich körperlichen Kontakt mit ihm an, sowohl nachts in unserem Schlafzimmer als auch auf beiläufige Weise in der Öffentlichkeit. Ich sage ihm oft, dass ich ihn liebe, aber ich sage es niemals mechanisch dahin; ich denke wirklich über diese Worte nach, über das, was sie bedeuten. Liebe als Verb. Liebe als Verpflichtung.
    Und die ganze Zeit sage ich mir, dass ich kurz vor der Ziellinie bin. Bald werden meine Gefühle sich verlaufen, und alles wird wieder normal werden – zumindest so normal, wie es vor jenem Augenblick an der Straßenkreuzung war. Und wenn das nicht geschieht, bevor wir die Stadt verlassen, dann wird es ganz sicher in Atlanta geschehen, in einem völlig neuen Kontext, weit weg von Leo.
    Aber die Tage vergehen, unsere Abreise rückt immer näher, und ich frage mich unversehens, was «normal» eigentlich genau gewesen ist. War alles normal, als Andy und ich anfingen, miteinander auszugehen? War es normal, als wir uns verlobten oder als wir dann vor den Traualtar traten? War ich wirklich über Leo hinweg? Es gab eine Zeit, da hätte ich auf diese Frage mit einem entschiedenen Ja geantwortet. Aber wenn das bloße Wiedersehen mit ihm, die bloße Berührung seiner Hand, mir so viel bedeuten konnten – habe ich dann jemals aufgehört, ihn zu lieben? Ihn so zu lieben, wie man niemanden liebt außer dem Menschen, mit dem man zusammen ist? Und wenn die Antwort nein ist – wird sich dieses Problem dann im Laufe der Zeit oder durch einen Ortswechsel lösen lassen? Aber ganz gleich, wie die Antwort ausfällt – was sagt die bloße Frage über meine Beziehung zu Andy?
    Noch verstörender wird das Ganze durch das seltsame, unbestimmte Gefühl, dass dieses emotionale Terrain mir nicht völlig fremd ist. Ich habe diese Gefühle zum Teil vor langer Zeit schon einmal erlebt, als meine Mutter starb. Die Parallelen sind keineswegs überzeugend, denn es liegt nichts Tragisches darin, New York zu verlassen oder nicht mit Leo zu sprechen. Aber auf eine beunruhigende Weise, die ich nicht genau definieren kann, gibt es da eine erkennbare Ähnlichkeit.
    So kommt es, dass ich eines späten Abends, als Andy mit seinen Jungs unterwegs ist, einknicke und meine Schwester anrufe. Ich

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