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Maenner fuers Leben

Maenner fuers Leben

Titel: Maenner fuers Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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hoffe, ich werde die richtige Gelegenheit – und die richtigen Worte – finden, um ihr zu vermitteln, was ich empfinde, ohne Leos Bedeutung zu überhöhen und ohne das Andenken unserer Mutter zu missachten.
    Suzanne ist gut gelaunt, als sie sich meldet – und sie erzählt mir, Vince sei ebenfalls mit den Jungs unterwegs, was in seinem Fall aber nichts Besonderes ist. Wir machen ein paar Minuten Small Talk, und dann lasse ich ihre Klagen über die vergangene Woche über mich ergehen; hauptsächlich haben sie mit Vince zu tun, aber ein paar lustige Stewardessengeschichten bekomme ich auch zu hören. Die beste handelt von einer verrückten alten Frau in der ersten Klasse, die ihre Bloody Mary nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal über ihre Sitznachbarin kippte und dann frech wurde, als Suzanne sich weigerte, ihr einen vierten Drink zu bringen.
    «Inwiefern frech?», frage ich. Diese Flugzeugdramen höre ich immer mit Vergnügen – und mit Staunen.
    «Sie hat mich ein Miststück genannt. Nett, nicht?»
    Ich lache und frage, was sie daraufhin getan hat. Ich weiß genau, dass noch irgendein Vergeltungsakt folgen wird.
    «Ich habe ein paar Marshals bestellt. Die haben die besoffene Kuh am Gate erwartet.»
    Wir lachen uns beide halb tot.
    «Sie hatte recht. Du bist ein Miststück», sage ich.
    «Ich weiß», sagt sie. «Das ist meine Berufung.»
    Wir lachen wieder, und einen Augenblick später fragt sie mich ohne Umschweife, ob ich etwas von Leo gehört habe.
    Ich überlege, ob ich ihr von unserem Rückflug erzählen soll, aber dann entscheide ich, dass dieses Erlebnis für alle Zeit mein heiliges Geheimnis bleiben soll. Also sage ich nur nein und seufze dabei so vernehmlich, dass ich die Nachfrage geradezu herausfordere.
    «Oha», sagt sie. «Was ist los?»
    Ich stottere kurz herum – und gestehe dann, dass ich seit L.A. Sehnsucht nach Leo habe und dass es eigentlich überhaupt nicht weniger geworden ist. Dass meine Stimmung mich in gewisser Weise «an den Winter damals» erinnert – mit dieser verschleiernden Formulierung reden wir oft über Moms Tod, wenn wir uns nicht imstande fühlen, uns mit der ganzen Trauer zu konfrontieren.
    «Jetzt mal langsam, Ell. Willst du Moms Tod etwa damit vergleichen, dass du nicht mit Leo sprichst?»
    Ich verneine sofort und mit Nachdruck und füge dann hinzu: «Vielleicht macht es mich nur melancholisch, die Stadt zu verlassen. All die Veränderungen …»
    «Soll heißen …? Du vergleichst deinen Weggang aus New York mit dem Tod?»
    «Nein. Das ist es eigentlich auch nicht genau.» Ich begreife, dass ich mir den Versuch, ein so nuanciertes Gefühl zu vermitteln, hätte sparen können – sogar bei meiner Schwester.
    Aber wie es Suzannes Art ist, beharrt sie auf einer Erklärung. Ich denke kurz nach und sage dann, es sei wohl eher das Gefühl der bevorstehenden Endgültigkeit. Sosehr ich mich auch auf den nächsten Schritt vorbereite, ich wisse eigentlich nicht, was mich erwarte. «Und in dieser Zeit des Wartens macht sich Angst breit», sage ich zögernd. «Wie bei Mom … Wir wussten wochenlang, dass das Ende dicht bevorstand. Nichts an ihrem Tod war eine Überraschung. Und trotzdem … es fühlte sich an wie eine Überraschung, nicht wahr?»
    «Ja», flüstert Suzanne, und ich weiß, dass wir in diesem Augenblick beide an den Tag denken, als der Schulpsychologe uns aus unseren Klassenräumen holte und draußen neben dem Flaggenmast und einem von Auspuffgasen geschwärzten Schneehaufen mit uns wartete, bis unser Vater uns abholte und zum letzten Mal zu ihr nach Hause brachte.
    «Und danach»– ich zwinge mich, nicht zu weinen oder irgendwelche anderen Bilder dieses schrecklichen Tages und derer, die noch folgten, heraufzubeschwören – «danach war ich einfach verzweifelt darauf aus, das Schuljahr zu Ende zu bringen und einen neuen Trott zu finden … einen neuen Ort, wo ich nicht dauernd an Mom erinnert wurde …»
    «Ja», sagt Suzanne, «das Camp in dem Sommer hat irgendwie geholfen.»
    «Stimmt.» Deshalb habe ich mich auch nach einem College umgesehen, das möglichst weit weg von Pittsburgh war. Ich wollte an Orten sein, die Mom nie besucht und von denen sie nie erzählt hatte, bei Menschen, die nicht wussten, dass ich keine Mutter mehr hatte. Ich räuspere mich und rede weiter. «Aber sosehr ich wegwollte, weg vom Haus und Moms Sachen und Dads Tränen – und sogar weg von dir –, hatte ich doch gleichzeitig Angst, wir würden sie umso schneller verlieren,

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