Maenner in Freilandhaltung
stand, am Arm.
»Stimmt, wir sollten schon mal anfangen aufzuräumen«, erwiderte Bärbel mit stoischer Ruhe. »Ich glaube, das Fest ist jetzt vorbei.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Du hast recht. Die Kerle halten sich noch erstaunlich gut auf den Beinen.« Abschätzend ließ sie ihren Blick über das Getümmel gleiten. »Möglicherweise dauert es noch ein bisschen.«
Ich hatte noch nie eine Schlägerei aus nächster Nähe gesehen. Das war wirklich nichts für schwache Nerven, denn die Herren gingen alles andere als zimperlich miteinander um. Gerade bekam Kioskbesitzer Martin, der aussah, als könnte er keiner Fliege etwas zuleide tun, eine Faust in den Magen gerammt. Er klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Entsetzt schrie ich auf. Doch Martin hatte sich bereits wieder aufgerichtet und stürzte sich mit einem wütenden Schnauben auf seinen Kontrahenten. Verzweifelt hielt ich nach Daniel Ausschau und entdeckte ihn schließlich auf dem Boden, wo er mit dem Chauvi, der mir beim Badmintontraining durch seine frauenfeindlichen Sprüche aufgefallen war, rang. Zum Glück war Daniel ihm körperlich überlegen und hielt ihn fest im Schwitzkasten.
»Jawohl, gib’s dem Blödmann, Daniel!«, feuerte ich meinen Schwager an.
Auch wenn ich diese Schlägerei nicht gutheißen konnte: Der Typ hatte wirklich mal eine ordentliche Tracht Prügel verdient! Als es rechts von mir plötzlich laut knirschte und krachte, hielt ich jedoch sogleich schuldbewusst die Klappe. Hoffentlich war bloß eine Holzbank oder ein Tisch und kein Knochen zu Bruch gegangen!
Es war auf jeden Fall höchste Zeit, diesem brutalen Treiben Einhalt zu gebieten, bevor abgesehen von blauen Flecken und Prellungen noch etwas Schlimmeres passierte. Panisch sah ich mich im Festzelt um. Merkwürdigerweise schien niemand meine Besorgnis zu teilen. Wenn es besonders heftig zur Sache ging, wurden zwei Kontrahenten getrennt, aber das war’s auch schon. Die Männer hatten sowieso alle Hände voll zu tun. Und die Frauen, die diesen Anblick offenbar gewöhnt waren, beschränkten sich darauf, das Geschehen zu kommentieren und ihrerseits verbal auf die Männer einzudreschen.
»Morgen jammert er wieder wie ein kleines Kind. Und wer darf ihn dann pflegen? Ich werd’s jedenfalls nicht tun«, maulte eine blonde Wuchtbrumme mit Pausbäckchen und Miniplifrisur, deren Gesicht mir irgendwie bekannt vorkam. Ach herrje, die Dauerwelle aus Gabys Friseursalon. Pech für sie: Das Fehlen der Lockenwickler trug nicht nennenswert zur Verbesserung des Gesamteindrucks bei. Aber das war zum Glück nicht mein Problem, und so wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder der Schlägerei zu, die immer noch unvermindert heftig tobte.
»Dabei können wir doch nicht einfach so zusehen!«
»Was schlägst du vor? Mitmachen?« Rebecca winkte ab. »Vergiss es. Selbst wenn mehr Alkohol als Blut durch ihre Adern fließt, haben die Jungs immer noch Bärenkräfte.«
»Wäre es nicht das Beste, die Polizei zu rufen?«, schlug ich vor.
»Nicht nötig. Die Polizei ist schon da.« Mit ausgestrecktem Zeigefinger wies Bärbel mitten in die wogende Menge. »Der mit dem orangefarbenen T-Shirt, der Igor gerade eine Kopfnuss gegeben hat, das ist Wachtmeister Wulf.«
Eigentlich hätte ich nun beruhigt sein müssen. Wenn der Wachtmeister es auf Igor abgesehen hatte, war der Hüter des Gesetzes offenbar auf Daniels Seite. Ein Trugschluss. Denn wer gegen wen und warum, hatten die Herren in der Hitze des Gefechts längst vergessen. Nun lautete die Devise der Einfachheit halber nur noch: jeder gegen jeden. Das war nicht nur fair, sondern auch schön einfach zu merken. Alles in allem unterschied sich die Prügelei kaum von den Handgreiflichkeiten, die ich von zu Hause aus dem Kinderzimmer gewohnt war: Es wurde gerauft, geschlagen und getreten.
Komischerweise war der ganze Zauber genauso schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Auf ein geheimes Zeichen hin wurden die Tätlichkeiten eingestellt. Hier und da fluchte oder schubste noch jemand, doch dann kehrte, wie Bärbel es prophezeit hatte, mit einem Mal Ruhe ein. Zapfenstreich. Das Fest war vorbei.
Bis nach Hause waren es zu Fuß gerade mal fünf Minuten. Daniel und ich brauchten dreißig, aber meinem subjektiven Zeitgefühl nach zu urteilen, waren wir die halbe Nacht unterwegs. Normalerweise wäre sicher ein Nachbar oder Freund so nett gewesen, mir dabei zu helfen, Daniel nach Hause zu bringen, aber die Kerle waren viel zu sehr damit beschäftigt, ihre
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