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Maenner in Freilandhaltung

Maenner in Freilandhaltung

Titel: Maenner in Freilandhaltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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Er trug frische Klamotten, und seine Haare waren vom Duschen noch feucht.
    »Können wir reden?«, fragte er mich, nachdem die Jungs zum Fußballspielen in den Garten gegangen waren.
    »Ich kann reden«, erwiderte ich spitz und setzte mich Daniel gegenüber in einen Sessel. »Ob du schon wieder reden kannst, bleibt abzuwarten.«
    »Spotte nur, ich hab es nicht anders verdient.« Nervös fuhr er sich durch seine feuchten Haare. »Ich muss zugeben, meine Erinnerungen an den gestrigen Abend sind ein wenig lückenhaft. Kann es sein«, er zögerte kurz, bevor er den Satz beendete, »dass ich mich dir gegenüber nicht ganz korrekt verhalten habe?«
    »Kommt darauf an, was du unter korrekt verstehst. Wenn du es korrekt findest, deine Schwägerin zu küssen, dann ist alles in bester Ordnung.«
    »Oh Gott, es ist also tatsächlich passiert.« Mit einem gequälten Seufzer schlug Daniel sich die Hände vors Gesicht. »Ich habe gehofft, ich hätte mir das bloß im Suff eingebildet. Du musst mir glauben, dass ich so etwas normalerweise nicht mache.«
    »Ich muss gar nichts«, antwortete ich unwirsch.
    Was war denn am vergangenen Abend nicht normal gewesen? Abgesehen von den zwei bis drei Promille in Daniels Blut ...
    »Ich vermisse Nina so.« Seine Stimme klang fast ein wenig weinerlich. Versuchte er etwa jetzt, bei mir auf die Tränendrüse zu drücken? »Ich weiß, es gibt keine Entschuldigung für mein Verhalten, aber irgendwie hast du mich gestern Abend so an Nina erinnert.«
    Falls es sich um eine Ausrede handelte, hätte er sich wirklich ein bisschen mehr Mühe geben können. Denn die war nun wirklich grottenschlecht! Abgesehen davon, dass wir die gleiche Schuhgröße trugen, bestand zwischen Nina und mir absolut keine Ähnlichkeit.
    »Liebst du meine Schwester?«, fragte ich Daniel streng.
    »Natürlich liebe ich sie. Was für eine Frage!«
    »Eine berechtigte«, konterte ich trocken. Höchste Zeit, endlich mal Tacheles zu reden! Obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, Daniel gegenüber kein Wort über das zu verlieren, was Nina mir anvertraut hatte, beschloss ich nun aus einem plötzlichen Impuls heraus, mein Schweigen zu brechen. »In der Nacht, bevor Nina abgereist ist, hast du im Traum einen Namen gerufen.«
    Daniel sah schockiert aus. »Oh mein Gott!«
    »Nein, den bedauerlicherweise nicht. Es war der Name einer Frau.«
    »Verdammt, warum hat Nina denn nichts gesagt?!«
    »Sie wird schon ihre Gründe haben. Und du, als ihr Ehemann, solltest sie eigentlich kennen.«
    Mit leerem Blick starrte Daniel aus dem Fenster. »Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen«, begann er nach einer Weile stockend, so als hätte er sich gerade erst wieder an meine Anwesenheit erinnert.
    Dann lass es doch einfach dabei, lag mir schon auf der Zunge, oder geh zu einem Pfarrer. Plötzlich bekam ich Angst vor meiner eigenen Courage. Womöglich würde Daniel mir gleich einen Seitensprung beichten oder perverse Neigungen gestehen, und ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich mit einem solchen Geheimnis umgehen sollte. Andererseits – wenn das, was Daniel mir anvertrauen wollte, Ninas Ehe retten konnte, musste ich es mir anhören. Abwartend sah ich Daniel an.
    »Seit Kerstins Tod gibt es immer wieder Phasen, in denen ich Albträume habe.«
    »Kein Wunder«, sagte ich. »Ich stelle es mir furchtbar vor, den geliebten Partner zu verlieren.«
    »Nein, das ist es nicht. Zumindest nicht nur. Vor dem tödlichen Unfall haben Kerstin und ich gestritten.« Daniel machte eine kurze Pause. Sein Gesichtsausdruck wirkte gequält, so als würde er die Auseinandersetzung noch einmal in seinem Kopf Revue passieren lassen. Und das vermutlich nicht zum ersten Mal. »Irgendwie hat sich alles immer weiter hochgeschaukelt. Dabei war der Auslöser eine echte Lappalie. Kannst du dir vorstellen, dass wir über die Farbe des neuen Sofabezugs gestritten haben?« Gedankenverloren strich Daniel mit der Hand über den glatten Stoff.
    Und ob ich mir das vorstellen konnte. Sehr gut sogar. Ich ahnte, welche Farbe Kerstin favorisiert hatte. Wenn ich mir das Sofa so ansah, hatte sie – quasi posthum – ihren Willen auch bekommen.
    »Ich frage mich ständig, ob Kerstin noch am Leben wäre, wenn ich mich entschuldigt hätte und sie nicht abgelenkt gewesen wäre. Sie geistert immer wieder nachts durch meinen Kopf. Es muss ihr Name gewesen sein, den ich im Schlaf gerufen habe.«
    Tröstend legte ich meine Hand auf seinen Arm. »Daniel, es war ein Unfall. So

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