Maenner in Freilandhaltung
die tapfer versuchten, der Erdanziehungskraft zu trotzen. Mit gebührendem Sicherheitsabstand – nicht dass mir womöglich doch noch jemand auf die Schuhe kotzte – überlegte ich, was ich jetzt mit Daniel anstellen sollte. Da kam Hannah auf mich zugerauscht. Unwillkürlich zog ich den Kopf ein. Bestimmt wollte sie mich wegen der Sache mit der Lasagne in die Mangel nehmen, aber es kam noch besser.
»Stimmt es, dass Daniel impotent ist?«, fragte Hannah, wobei sich ihre Stimme vor Aufregung fast überschlug.
Ich riss entsetzt die Augen auf. »Wie kommst du denn darauf?«
»Vicky behauptet das steif und fest.«
Die Formulierung »steif und fest« in Verbindung mit Impotenz zu verwenden, entbehrte nicht einer gewissen Komik. Allerdings war mir so gar nicht nach Lachen zumute. Mist! Ich hätte die Sache sofort an Ort und Stelle richtigstellen müssen. Das einzige Geheimnis, das Vicky für sich behalten konnte, war vermutlich ihr Alter. Bestimmt hatte sie nur auf den richtigen Moment gewartet, um Hannah ihr vermeintliches Insiderwissen unter die Nase zu reiben. Und sie hatte sich nun wirklich den denkbar ungünstigsten Zeitpunkt ausgesucht.
Genervt verdrehte ich die Augen. »Du solltest nicht alles glauben, was man dir erzählt. Egal was Vicky sagt – Daniel ist nicht impotent!«
Um meinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, hatte ich bewusst laut und deutlich gesprochen. Was aufgrund der ohrenbetäubenden Musik nicht weiter tragisch gewesen wäre, wenn die Band nicht just in diesem Moment eine kleine Pinkelpause eingelegt hätte. Mit einem Mal war es mucksmäuschenstill, nur meine Stimme schien von den Wänden des Festzelts widerzuhallen. Alle starrten uns an. Hannah sollte mir wirklich dankbar sein, dachte ich in einem Anflug von Galgenhumor. Ohne es zu wollen, hatte ich maßgeblich zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen – das diesjährige Sommerfest war um eine Attraktion reicher.
Igor erhob sich von der Bank der Bierzeltgarnitur, auf der er gesessen hatte. Als er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete, wurde mir abwechselnd heiß und kalt.
»Woher weiß meine Frau, dass Daniel impotent ist?«
Passend zum Stiernacken schienen seine Nüstern zu beben. Das Thema eheliche Treue war wohl ein rotes Tuch für ihn. Zu Recht, wie ich von Jette wusste. Aber ausgerechnet in diesem Fall war Vicky aller Wahrscheinlichkeit nach unschuldig.
So unangenehm es auch war – ich musste das Missverständnis aufklären. Sofort. Aber das war leichter gesagt als getan, denn Igor nahm meine Erklärungsversuche überhaupt nicht zur Kenntnis. Von der anderen Seite redete Vicky ununterbrochen auf ihn ein. Doch Igor, der Daniel mit Blicken fast erdolchte, ignorierte sie ebenfalls. Ihr Redefluss schien an ihm abzuprallen wie Regentropfen auf frisch gewachstem Autolack.
Drohend kam Igor auf Daniel zu und baute sich breitbeinig vor ihm auf. »Du! Hast du mit meiner Frau geschlafen?« Als ihm bewusst wurde, dass genau das bei einem impotenten Mann schwer möglich war, korrigierte er sich: »Hast du versucht, mit meiner Frau zu schlafen?«
Igor rammte Daniel unsanft seinen Zeigefinger in die Brust. Allein das hätte beinahe schon ausgereicht, um Daniel zu Fall zu bringen. Leider torkelte dieser jedoch nur kurz nach rechts, dann leicht tänzelnd nach links, bevor er sich wieder fing und kerzengerade stehen blieb. Ein Fehler, und zwar einer der besonders schmerzhaften Sorte. Wäre Daniel ein Opossum, hätte er sich angesichts der Gefahr, in der er sich befand, einfach tot gestellt. Doch so bot er ein fantastisches Ziel für Igors rechten Haken. Obwohl Daniel die Faust hätte kommen sehen müssen, zuckte er nicht einmal mit der Wimper. Seine Reaktionszeit bewegte sich längst nicht mehr im Bereich von Sekunden, vermutlich nicht mal von Minuten. Igor hätte den Faustschlag also schon vorher schriftlich ankündigen müssen, damit Daniel eine faire Chance gehabt hätte.
Zum Glück besaß Daniel etliche Freunde, die nur zu gerne bereit waren, das Unrecht, das ihrem Kumpel widerfahren war, zu rächen. Im Gegenzug schlugen sich einige Dorfbewohner auf Igors Seite, ob aus Sympathie oder aus Fairness, um ein zahlen- und kräftemäßiges Gleichgewicht herzustellen, vermochte ich nicht zu beurteilen. Auf jeden Fall war innerhalb kürzester Zeit die schönste Schlägerei im Gange. Oh Gott, ich konnte kaum hinsehen! Und das war alles meine Schuld!
»Wir müssen doch was tun!«, rief ich völlig aufgelöst und packte Bärbel, die neben mir
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