Maenner in Freilandhaltung
schreckliche Dinge passieren einfach. Dich trifft keine Schuld, sondern einzig und allein das besoffene Schwein, das Kerstin in den Wagen gefahren ist.«
»Aber möglicherweise hätte sie noch ausweichen können, wenn sie den Bruchteil einer Sekunde schneller reagiert hätte. Vielleicht wäre das der entscheidende Moment gewesen, der ihr das Leben gerettet hätte.«
Jetzt wurde mir so einiges klar. »Fällt es dir deshalb so schwer, Erika und Friedhelm in ihre Schranken zu weisen?«, fragte ich mitfühlend.
Ohne meine Frage zu beantworten, ließ Daniel seinen Kopf in die Hände sinken. »Verstehst du denn nicht? Wenn ich nicht so stur gewesen wäre, könnte ihre Tochter noch leben.«
Was für Qualen musste Daniel in den vergangenen Jahren ausgestanden haben. Kein Wunder, dass er nachts Albträume hatte.
»Ich bin froh, dass du mich ins Vertrauen gezogen hast«, sagte ich leise. »Aber du musst unbedingt mit jemandem darüber reden. Als Erstes natürlich mit Nina, wenn sie wieder da ist. Aber möglicherweise ist es auch ratsam, wenn du dir von einem Therapeuten helfen lässt.«
»Also doch Meyer-Birkenstock«, versuchte Daniel mit einem schiefen Grinsen zu scherzen.
»Die Frau ist Kinderpsychologin. Ich fürchte, aus dem Alter bist du raus. Aber vielleicht macht sie für dich ja eine Ausnahme.«
Kapitel 18
Auch wenn sich das Problem nicht so einfach aus der Welt schaffen ließ, war ich froh, dass die Karten nun endlich offen auf dem Tisch lagen. Wenn Nina und Daniel ehrlich miteinander geredet hätten, wäre beiden vermutlich einiges erspart geblieben, dachte ich bedrückt, als ich am nächsten Morgen mit Ernie Gassi ging. Es war also Kerstins Name gewesen, den Daniel im Schlaf gerufen hatte, aber warum hatte Nina mich dann als Männersitterin angeheuert? Die Wahrscheinlichkeit, dass Daniel sie mit einer Toten betrog, tendierte nach menschlichem Ermessen gen null.
Als ich mit Ernie von seiner Gassirunde heimkehrte, blinkte das Licht des Anrufbeantworters. Wie immer, wenn jemand eine Nachricht hinterlassen hatte, hoffte ich auf ein Lebenszeichen von Nina. Und wie immer wurde ich enttäuscht. Meine vierte Woche im Sauerland neigte sich dem Ende zu, und langsam hätte ich schon ganz gerne gewusst, wann sie zurückzukommen gedachte.
»Hallo, Daniel, hier ist Erika«, tönte es mir stattdessen leicht näselnd entgegen, als ich den Wiedergabeknopf drückte. »Friedhelm und ich haben für Sonntagabend Theaterkarten. Es wird Macbeth gespielt. Leider fühlt sich Friedhelm nicht so besonders, aber es wäre doch schade, wenn die Karten verfielen. Da du schon einen kostenlosen Babysitter hast, solltest du das auch ausnutzen und dir mit Rebecca einen schönen Abend machen. Sicher ist es für dich praktischer, direkt von der Arbeit aus zum Theater zu fahren, deshalb habe ich Rebecca ihre Karte bereits gegeben. Die andere habe ich vorhin bei euch in den Briefkasten geworfen. Viel Spaß!«
Aaargh, mir sprang das Messer in der Tasche auf. Das hatten Rebecca und Erika ja schön eingefädelt. Von wegen Friedhelm fühlt sich nicht so besonders. Ich hätte wetten können, dass Erikas Mann quietschfidel war. Oder zumindest so fidel, wie man halt sein konnte, wenn man mit einer intriganten Giftspritze verheiratet war. Sie hatte es noch nicht einmal für nötig gehalten, Daniel zu fragen, ob er Lust und Zeit hatte, mit Rebecca ins Theater zu gehen, sondern über seinen Kopf hinweg einfach alles in die Wege geleitet. Auch wenn ich mir mittlerweile sicher war, dass von Rebecca keine Gefahr ausging und Daniel meiner Schwester treu war, hatte ich nicht vor, das einfach so hinzunehmen. Ich ging zum Briefkasten, der vor dem Haus stand, und nahm die Karte heraus. Nachdenklich drehte ich sie zwischen den Händen. Ob ich sie einfach entsorgen sollte? Als ich gerade wieder ins Haus zurückgehen wollte, kam Rudi die Straße entlang.
»Ach, Rudi, hallo. Haben Sie was für uns?«, begrüßte ich unseren Postboten.
»Nur jede Menge Werbung«, sagte Rudi bedauernd und hielt mir einen Packen bunt bedruckter Reklameblättchen entgegen. »Das wird auch von Tag zu Tag immer schlimmer.«
»Rudi, haben Sie Sonntagabend schon was vor?«, fragte ich ihn aus einer spontanen Idee heraus.
»Äh ... nein ... eigentlich nicht.«
»Prima, dann haben Sie jetzt was vor. Sie gehen ins Theater.«
Nachdem Rudi gut gelaunt mit der Theaterkarte abgezogen war, beschloss ich, die Angelegenheit in Angriff zu nehmen, die mir am meisten auf der Seele lag. Jan
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