Maenner in Freilandhaltung
Herzen lugte ich hinter dem Rücken meines lebenden Schutzschildes hervor und stieß einen unterdrückten Schrei aus. Heiliger Strohsack, das war ja eine ganze Gang! Voller Angst krallte ich meine Finger in das Holzfällerhemd.
Ein finsterer, vor Kraft strotzender Bursche, vermutlich der Anführer, machte auf mich einen besonders gefährlichen Eindruck. Daran konnte auch das fröhliche Schwanzwedeln nichts ändern. Neben dem großen schwarzen Dobermann hatten sich noch ein Schäferhund sowie ein kleines wuseliges Etwas mit struppigem Fell, vermutlich ein Terrier, postiert. Wie die Orgelpfeifen saßen die drei Hunde vor dem Fremden und sahen ihn erwartungsvoll an. Der Mann griff in seine Tasche und kramte für jeden von ihnen ein Leckerli hervor. Unglaublich! Jetzt belohnte dieser Irre seine Köter auch noch dafür, dass sie mich zu Tode erschreckt hatten! Und grinste mir, als er sich umwandte, frech ins Gesicht.
»Ich hoffe, du bist jetzt nicht beleidigt, aber der Pfiff hat nicht dir, sondern meinen Hunden gegolten.«
»Hm«, murmelte ich unbestimmt.
Unter anderen Umständen wäre mir dieses »Missverständnis« bestimmt unglaublich peinlich gewesen, doch angesichts des finster dreinblickenden Dobermanns hatte ich nur einen Gedanken: Nichts wie weg hier! Seit ich als Kind von unserem Nachbarshund gebissen worden war, hatte ich ein ausgesprochen angespanntes Verhältnis zu diesen blutrünstigen Kreaturen. So etwas vergisst man nicht. Neben einer Narbe unterhalb der Kniekehle hatte ich eine Heidenangst vor Hunden zurückbehalten.
Der Fremde, der mit seinem Holzfällerhemd wie ein echter kanadischer Lumberjack aussah, rieb sich mit einem leisen Stöhnen seinen Oberarm. Vermutlich war das die Stelle, an der ich mich bei ihm festgekrallt hatte. Das geschah ihm recht! Hoffentlich tat es richtig weh! Doch im nächsten Moment hatte Lumberjack seine Schmerzen bereits vergessen. Anstatt über die Muskeln seines Oberarms fuhr er sich nun über seinen Dreitagebart, der eigentlich mehr wie ein Fünftagebart aussah und ihm eine leicht verwegene Ausstrahlung verlieh. Interessiert musterte Lumberjack mich von oben bis unten.
»Ein neues Gesicht, hab ich recht?«
»Nein, das habe ich schon seit meiner Geburt«, parierte ich patzig, ohne die Hunde, die immer noch brav Sitz machten, aus den Augen zu lassen. Wie konnte er diese Bestien hier einfach frei herumlaufen lassen?!
Anstatt beleidigt über meine ruppige Antwort endlich mit seinen Kötern abzuziehen, hatte Lumberjack offenbar Gefallen an unserem kleinen unfreiwilligen Stelldichein gefunden. »Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dich schon mal im Dorf gesehen zu haben. Bist du zu Besuch hier?«
»Während meine Schwester zur Kur ist, passe ich auf ihren Mann auf«, antwortete ich einsilbig, ohne ihn dabei anzusehen. Die Geschichte von der Kur war die offizielle Sprachregelung, auf die ich mich am Vortag mit Daniel und Rebecca, schon allein aus Rücksicht auf die Kinder, geeinigt hatte. Als mein Blick von den Hunden kurz zu ihrem Herrchen abdriftete, registrierte ich um seine Mundwinkel ein amüsiertes Zucken. Ärgerlich korrigierte ich mich: »Während meine Schwester zur Kur ist, passe ich auf die Kinder auf, meine ich natürlich.«
»Na, dann sehen wir uns ja sicher noch.«
»Hoffentlich nicht«, murmelte ich leise, während ich einen großen Bogen um die Hunde schlug, die immer noch wie festbetoniert an der gleichen Stelle saßen. Aber wer konnte wissen, wie lange noch?! Da ich nicht allzu heiß darauf war, dieses entzückende Gespann wiederzutreffen, entschied ich mich anstelle von »Auf Wiedersehen« lieber für »Tschüss« als Abschiedsgruß.
War mein fluchtartiger Aufbruch für Lumberjack erneut Anlass zur Heiterkeit? Vielleicht sah sein Mund aber auch immer so aus, als würde er lächeln. Ärgerlich über mich selbst stapfte ich davon.
In dem Bestreben, möglichst schnell wegzukommen, achtete ich gar nicht darauf, welchen Weg ich einschlug. Zum Glück führte der, den ich gewählt hatte, nicht quer durch die Walachei, sondern geradewegs zur Landstraße. Das Dorf konnte nicht allzu weit entfernt sein, in der Ferne sah ich bereits die Kirchturmspitze. Kurz vor dem Ortseingang kam ich an einem Holzkreuz vorbei, das mit frischen Blumen geschmückt war. Beim Anblick solcher Gedenkstätten wurde mir stets bewusst, wie schnell auf einmal alles vorbei sein kann. Nachdenklich betrachtete ich das Foto, das in einem kleinen Rähmchen an dem Kreuz befestigt
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