Maenner in Freilandhaltung
schmatzen begonnen hätte. Wahrscheinlich hatte er von Jettes Hackbällchen geträumt. Die wenigen Exemplare, die noch zu retten gewesen waren, hatten die Kinder ihrem neuen Freund zugesteckt.
Ernie und ich würden hingegen wohl niemals dicke Freunde werden, so viel war sicher. Obwohl ich zugeben musste, dass er eigentlich ganz knuffig und trotz seiner spitzen Zähne allem Anschein nach ungefährlich war. Aus irgendeinem Grund hatte er einen Narren an mir gefressen. Den ganzen Vormittag lang verfolgte er mich bei der Hausarbeit auf Schritt und Tritt, und als ich nur mal kurz vors Haus ging, um den Müll rauszubringen, vollführte er bei meiner Rückkehr einen Freudentanz, als wären wir tagelang voneinander getrennt gewesen. Möglicherweise hätte ich meine Vorbehalte gegen Hunde sogar vergessen, wenn ich am frühen Nachmittag nicht einen furchtbaren Fund gemacht hätte.
»Aaaaah!«
Jede Wette, dass selbst Jette ein paar Häuser weiter meinen Entsetzensschrei gehört hatte. Vor Schreck wie gelähmt stand ich vor der Garderobe und starrte auf die Katastrophe, die Ernie dort angerichtet hatte. Meine Lieblingsschuhe waren nur noch mit viel Fantasie als Sandalen zu identifizieren. Die schmalen Riemchen waren abgenagt, der Rest völlig zerbissen. Hier und da erkannte man sogar noch die Abdrücke von Ernies spitzen Zähnen. Heiße Tränen schossen mir in die Augen, als ich meine Sandalen, oder vielmehr das, was Ernie von ihnen übrig gelassen hatte, aufhob und sogleich wieder wie eine heiße Kartoffel fallen ließ.
Igitt, Hundesabber!
Angeekelt wischte ich meine Hände an den Hosenbeinen meiner Jeans ab. Es war unfassbar! Alle anderen Schuhe – angefangen bei Daniels Turnschuhen bis hin zu Christophers Trekkingsandalen –, die unter der Garderobe aufgereiht standen, waren völlig unversehrt. Eins musste man Ernie lassen: Auch wenn ihm Manieren fehlten, Geschmack hatte er! Die Schuhe, die er ausgewählt hatte, waren jeden Cent wert gewesen – schick und zugleich bequem, dank des weichen, sündhaft teuren Leders. Nun waren sie nur noch zum Wegschmeißen zu gebrauchen.
Am nächsten Tag wiederholte sich das Spiel. Gleicher Ort, gleiche Zeit. Ich glaubte, all meine Schuhe aus Ernies Reichweite entfernt zu haben, aber ein Paar Sneakers hatte ich vergessen. Genau wie bei meinen Sandalen hatte Ernie auch hier ganze Arbeit geleistet. Dank der vielen Luftlöcher, die er in das Leder hineingebissen hatte, würde ich in den Schuhen in Zukunft bestimmt keine Schweißfüße mehr bekommen.
War Ernie womöglich ein Fußfetischist?! Ärgerlich hielt ich Daniel, der gerade zur Tür hereinkam, die ruinierten Sneakers unter die Nase.
»Na, fällt dir an den Schuhen was auf?«, blaffte ich.
»Meinst du vielleicht den etwas strengen Geruch?« Mein Schwager stellte sich absichtlich dumm.
»Ernie hat schon wieder zugeschlagen«, wetterte ich, ohne auf Daniels Ablenkungsmanöver einzugehen. »So geht das nicht weiter!«
»Stimmt, du hast völlig recht«, pflichtete Daniel mir erstaunlicherweise bei.
Na schön, dann wusste er ja, was zu tun war. In stillem Einvernehmen sahen wir uns an. Auch wenn die Trennung für die Kinder, die ihren neuen Spielgefährten von der ersten Sekunde an ins Herz geschlossen hatten, sicher nicht leicht werden würde, gab es bestimmt eine Möglichkeit, sie darüber hinwegzutrösten. Mit einer Carrera-Bahn, einer Lego-Ritterburg oder einem anderen Haustier. Ich favorisierte nach wie vor die Mehlwürmer, die pinkelten weder in die Wohnung, noch zerbissen sie Schuhe.
Daniel räusperte sich, dann sagte er mit ernster Miene: »Ich hab mich mal ein bisschen umgehört und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass wir fachkundige Unterstützung benötigen.« Er zog sein Portemonnaie hervor, kramte eine Weile darin herum und reichte mir schließlich eine Visitenkarte.
»Hundeschule Förster«, las ich halblaut.
Fachkundige Unterstützung brauchten wir in der Tat! Ein Psychiater wäre beispielsweise nicht schlecht gewesen, denn Daniel sollte unbedingt mal seinen Geisteszustand überprüfen lassen. Er bildete sich doch wohl nicht allen Ernstes ein, dass ich dieses schuhfressende Monster auch noch zur Hundeschule kutschieren würde. Als hätte ich nichts Besseres zu tun! Aber jede Diskussion war zwecklos: Daniel hatte Ernie bereits angemeldet.
Am Montagmorgen machte ich mich also auf den Weg zur Hundeschule. Ich schimpfte wie ein Rohrspatz vor mich hin.
»Das hast du ja toll hingekriegt, du blöder Hund! Aber bitte, du
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