Maenner in Freilandhaltung
hast es ja nicht anders gewollt. Strafe muss sein. Wart’s nur ab, Ernie, in der Schule werden sie dir Manieren beibringen. Du wirst schon sehen, was du von deinen Kapriolen hast.«
Mit schief gelegtem Kopf wedelte Ernie, der es sich im Fußraum des Beifahrersitzes gemütlich gemacht hatte, mit dem Schwanz. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass »Kapriolen« nicht das einzige Wort meiner Schimpftirade war, das er nicht verstanden hatte.
Als ich auf dem Parkplatz der Hundeschule mit Ernie im Schlepptau aus Ninas Auto stieg, stolperte ich gleich über ein bekanntes Gesicht oder vielmehr über die dazugehörigen Füße. Na, dann sehen wir uns ja sicher noch – kein Wunder, dass sich diese Prophezeiung nun bewahrheitete. Jeder Bridgeclub hatte mehr Mitglieder als dieses Kaff Einwohner. Hier lief man sich beinahe schon zwangsläufig über den Weg.
»Hallo«, begrüßte mich Lumberjack freundlich.
Ich versuchte an seiner Miene abzulesen, ob er sich an unsere Begegnung im Wald erinnerte, doch das kleine amüsierte Lächeln, das ich zu erkennen glaubte, konnte ebenso gut Einbildung sein. Lumberjack sah tatsächlich immer so aus, als würde er schmunzeln.
»Hallo«, grüßte ich zurück.
Ich sah mich vorsichtig um. Zum Glück konnte ich den finster dreinblickenden Dobermann und seine beiden Kumpel nirgendwo entdecken. Hoffentlich lagen sie nicht wieder irgendwo im Hinterhalt auf der Lauer und warteten auf den richtigen Augenblick, um mich zu Tode zu erschrecken. Aber fürs Erste schien die Luft rein zu sein. Ich musterte mein Gegenüber unauffällig. Tiefblaue Augen und wellige blonde Haare, die er genau wie Simon ein wenig länger trug als die meisten Männer. Doch während Simon an seinem Erscheinungsbild garantiert nichts dem Zufall überließ – seine Frisur bildete einen interessanten Kontrast zu seinen schicken Anzügen und verlieh ihm einen lässigen Touch –, hätte ich wetten können, dass dieser Naturbursche aus Faulheit nur alle Jubeljahre zum Friseur ging. Wofür auch der Dreitagebart sprach, der mir bei unserer ersten Begegnung schon aufgefallen war. Trotzdem sah er keineswegs ungepflegt aus. Anstelle des Holzfällerhemdes trug er an diesem Tag ein enges schwarzes T-Shirt, das über der Brust und an den Oberarmen ein wenig spannte. Die Spaziergänge mit den Hunden schienen ihn gut in Form zu halten. Keine Spur von Schwabbel oder Rettungsringen zu erkennen. Gerne hätte ich auch noch seinen Po begutachtet, aber den Gefallen, sich mal kurz umzudrehen, tat er mir bedauerlicherweise nicht.
»Nimmst du deinen Hund bitte an die Leine?«, forderte Lumberjack, der von meinen Gedanken glücklicherweise nichts ahnen konnte, mich mit leisem Vorwurf in der Stimme auf.
»Das ist nicht mein Hund«, erklärte ich leicht eingeschnappt.
»Soso.«
Angelegentlich musterte Lumberjack Ernies Hundeleine, die ich mir, wie ich es bei anderen Hundebesitzern beobachtet hatte, lässig um den Hals gelegt hatte. Das war praktisch, denn so hatte man sie jederzeit griffbereit und die Hände frei.
»Dann trägt man da, wo du herkommst, Lederleinen mit Karabinerhaken wohl als modisches Accessoire.« Nun war es zweifelsfrei ein echtes Grinsen, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete. »Hier auf dem Land benutzen wir sie, um unsere Hunde auszuführen.«
Er erinnerte sich also an unsere Begegnung im Wald. Damit er meine glühenden Wangen nicht sehen konnte, beugte ich mich schnell zu Ernie herunter und legte ihm die Leine an.
»Ich bin übrigens Jan«, stellte Lumberjack sich vor.
»Louisa.« Ich richtete mich wieder auf und griff zögernd nach der Hand, die Jan mir versöhnlich entgegenstreckte.
Sie fühlte sich warm und auch ein kleines bisschen rau an. Eine Männerhand, die zupacken kann, schoss es mir unwillkürlich durch den Kopf. Was immer er beruflich auch treiben mochte, er war ganz sicher kein Schreibtischtäter.
Bildete ich mir das nur ein, oder hatte Jan meine Hand ein bisschen länger als notwendig festgehalten? Allerdings war die Berührung keineswegs unangenehm gewesen, und so beschloss ich, ihm den Rüffel wegen der Leine nicht nachzutragen.
Während ich noch darüber nachgrübelte, warum Jan ohne seine Hunde hier aufgekreuzt war – immerhin befanden wir uns in einer Hundeschule –, hatte er sich bereits Ernie zugewandt. Er ging vor ihm in die Hocke und kraulte ihn hinter den Ohren. »Na, und wer bist du?«
»Er ist erst drei Monate alt und kann noch nicht sprechen«, scherzte ich, »und sich
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