Maenner in Freilandhaltung
sogar Frau Heller mit ihren fleischfarbenen Stützstrümpfen. Obwohl ich dazu neigte, sie aufgrund ihres hohen Alters als Daniels Traumfrau auszuschließen. Langsam war ich es wirklich satt, im Trüben zu fischen! Möglicherweise wohnte diejenige, welche, gar nicht hier im Ort. Ich musste unbedingt mal Daniels Kolleginnen unter die Lupe nehmen, aber bislang hatte sich einfach noch nicht die richtige Gelegenheit dazu ergeben. Die ganze Mühe könnte ich mir sparen, wenn Daniel endlich mit der Sprache rausrücken würde, dachte ich ärgerlich. Allerdings war mir schleierhaft, wie es mir gelingen sollte, ihm ein Geständnis zu entlocken. Auch wenn wir vorübergehend unter einem Dach lebten und ich meinen Schwager sogar schon mal nackt gesehen hatte, kannten wir uns einfach nicht gut genug, um uns gegenseitig unsere intimsten Geheimnisse anzuvertrauen. Obwohl – warum eigentlich nicht?, schoss es mir plötzlich durch den Kopf. Vielleicht musste einfach nur einer von uns den Anfang machen.
Quid pro quo. Wenn ich etwas von mir preisgab, würde Daniel mich im Gegenzug vielleicht auch ins Vertrauen ziehen. Angestrengt überlegte ich, was für intime oder prekäre Details aus meinem Leben ich Daniel offenbaren könnte. Vielleicht mein Drogenproblem? Mein Problem mit Drogen bestand darin, dass ich sie nicht vertrug. Zumindest kein Marihuana. In der Oberstufe hatte ich auf dem Schulhof heimlich gekifft, aber da es sich dabei um eine Jugendsünde und noch dazu um einen einmaligen Vorfall gehandelt hatte – mir war von dem Zeug kotzübel geworden –, eignete sich dieses Geständnis wohl kaum dazu, Daniels Vertrauen zu gewinnen. Mein Liebesleben gab ebenfalls nicht viel her. Mal ganz davon abgesehen, dass ich seit über einem Jahr Single war, fiel mir selbst aus der Vergangenheit nichts ein, was auch nur ansatzweise unanständig oder spektakulär genug gewesen wäre. Ich musste den Tatsachen ins Auge sehen: Ich war einfach viel zu anständig – anständig und langweilig. So sah’s aus. Keine heimlichen Affären, keine ausgefallenen Sexualpraktiken, nichts dergleichen. Nicht einmal mit einem kleinen Intimpiercing konnte ich aufwarten. Ich dachte eine Weile angestrengt nach. Dann fiel mir plötzlich doch noch etwas ein, was ich Daniel anvertrauen könnte.
»Daniel, ich muss dir etwas gestehen«, eröffnete ich meine Beichte.
»Oh, jetzt wird’s interessant.« Daniel rappelte sich vom Sofa hoch und setzte sich aufrecht hin. »Mach’s nicht so spannend. Ich bin ganz Ohr.«
Ich räusperte mich verlegen, dann fasste ich mir ein Herz. »Eigentlich wollte ich es dir die ganze Zeit schon sagen: Ich hab dich angelogen«, erklärte ich reumütig und musste noch nicht einmal schauspielern, um ein bisschen schuldbewusst auszusehen. »Ich kann überhaupt nicht kochen, das heißt ich konnte es nicht, als ich zu euch gekommen bin. Aber das wird sich bald ändern«, versicherte ich eifrig. »Jette gibt mir Kochunterricht.«
Gelangweilt winkte Daniel ab. »Ach, das ist doch ein alter Hut. Dass du nicht kochen kannst, weiß ich schon seit deinem dritten Tag hier bei uns. Hannah hat mich darauf gebracht. Sie wollte wissen, wie uns ihr Paprikarahmgulasch geschmeckt hat.«
»Könntest du das bitte noch mal wiederholen?«
»Das mit dem Paprikarahmgulasch?«
»Nein, das davor.«
»Okay: Hannah hat mich darauf gebracht.«
»Noch weiter davor.«
»Äh ... sorry, ich weiß leider nicht mehr so genau, was ich gesagt habe.« Daniel kratzte sich am Kopf. »Ab einem gewissen Alter lässt die Merkfähigkeit ...«
»Du weißt schon seit meinem dritten Tag hier Bescheid?!«, unterbrach ich ihn entsetzt.
»Ah, ja richtig.«
»Und warum hast du nie etwas dazu gesagt?«
»Ich fand es einfach nicht mehr wichtig. Du bist so prima mit den Kindern klargekommen, dass ich die Kocherei nebensächlich fand. Sogar Christopher geht neuerdings abends ohne zu murren ins Bett. Das soll dir erst mal einer nachmachen.«
Mist! Es war ja nicht so, dass ich mich über Daniels Kompliment nicht gefreut hätte, aber die Psychonummer à la »Ich vertraue dir etwas an, und im Gegenzug vertraust du mir etwas an« war damit wohl hinfällig. Ratlos kraulte ich Ernie, der es sich zu meinen Füßen gemütlich gemacht hatte, hinter den Ohren. Von wegen quid pro quo! Nun war ich wirklich mit meinem Latein am Ende.
»Jetzt guck nicht so bestürzt.« Daniel tätschelte aufmunternd mein Knie. »Und falls es dich beruhigt: Ich habe Hannah zum Dank für ihre Mühe einen großen
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