Maenner in Freilandhaltung
dazu. Ich hatte gerade das Telefonat mit Pia beendet, als es draußen an der Tür klingelte.
»Ernie hat schon wieder in meinen Vorgarten gestrullert«, echauffierte sich Hannah anstelle einer Begrüßung.
»Ernie, hast du in Hannahs Garten Pipi gemacht?«, fragte ich den Hund, der mir zur Tür gefolgt war, und tätschelte dabei seinen weichen Kopf. Obwohl es mir noch schwerfiel, das zuzugeben, begann mir der Hund langsam, aber sicher richtig ans Herz zu wachsen. Dass wir darüber hinaus die gleichen Gegner zu haben schienen – Erika und jetzt auch noch Hannah –, machte ihn mir gleich noch eine Spur sympathischer.
»Er hat es bestimmt nur gut gemeint, er wollte deine Blumen düngen«, nahm ich Ernie in Schutz.
»Kann es sein, dass du deinen Hund nicht richtig im Griff hast?!«
Hannah zeigte anklagend auf Ernie, der gerade im Zeitlupentempo sein Bein hob. Laut quietschend sprang Hannah zur Seite. Aber wie es schien, hatte Ernie nur angetäuscht. Bravo! Wir hatten nicht nur die gleichen Gegner, sondern auch den gleichen Humor.
»Ist sonst noch was?«
Für die Essenslieferung war es eigentlich noch ein bisschen zu früh. Nach wie vor brachte Hannah fast täglich Eintöpfe, Suppen oder Aufläufe vorbei, sodass ich mein neu erworbenes Können nur sehr selten unter Beweis stellen musste.
»Mein Auto springt nicht an«, rückte Hannah nun endlich mit dem eigentlichen Grund ihres Besuchs heraus und beantwortete damit zugleich meine unausgesprochene Frage, was sie unter der Kühlerhaube ihres Autos gesucht hatte. Den Motor vermutlich ...
»Ich verstehe: Du brauchst Hilfe. Warte einen Moment.« Ich verschwand im Haus und kehrte kurz darauf mit den Gelben Seiten zurück. »A wie Autowerkstatt oder K wie Kfz-Werkstatt.«
Hannah machte jedoch keine Anstalten, den Wälzer entgegenzunehmen. »Ich dachte, Daniel könnte sich mein Auto vielleicht mal kurz ansehen.«
Was für eine Überraschung, dachte ich ironisch. Am liebsten hätte ich behauptet, dass mein Schwager nicht zu Hause wäre. Aber erstens stand sein Auto vor dem Haus, und zweitens war hinten aus dem Garten deutlich das Brummen des Rasenmähers zu vernehmen.
»Weißt du was, ich frage ihn ganz einfach selbst.«
Ohne meine Zustimmung abzuwarten, lief Hannah den plattierten Gartenweg entlang, der um das Haus herumführte. Nichts wie hinterher! Bei der Gelegenheit konnte ich auch gleich mal nachsehen, wie weit Daniel mit seiner Arbeit war. »Ich werde mal eben den Rasen mähen«, hatte er gesagt – aber das war bereits vor Stunden gewesen. Ohne angeben zu wollen: In der Zeit hätte ich die Wiese mit einer Nagelschere gekürzt und darüber hinaus noch ein paar schmuckvolle Ornamente hineingeschnippelt. Natürlich wusste ich, wie wichtig es war, dass Männer regelmäßig ein Hobby pflegten. Das hielt sie davon ab, auf dumme Gedanken zu kommen. Wenn Daniel also ein passionierter Gärtner war, der sich mit Hingabe seinem Grünzeug widmete, war im Prinzip nichts dagegen einzuwenden. Beim Anblick der unkrautüberwucherten Beete beschlich mich jedoch der Verdacht, dass Daniels Interesse anderen Dingen als Blumen und Sträuchern galt. Nebenan auf dem Nachbargrundstück genoss Vicky gerade oben ohne ein kleines Sonnenbad. Man musste nur eins und eins zusammenzählen, um sich vorzustellen, dass es Daniel bei diesem Anblick ganz schön heiß wurde.
Verstimmt betrachtete ich das Szenario. Zusätzlich zu einem kleinen hölzernen Gartenzaun, der so niedrig war, dass jeder Igel ihn mit ein wenig körperlicher Fitness überwinden konnte, markierte eine Lebensbaumhecke die Grenze zum Nachbargrundstück. Diese immergrüne Bepflanzung sah hübsch aus und war leicht zu pflegen. Sie hatte jedoch einen ganz entscheidenden Nachteil: Es dauerte Ewigkeiten, bis die Hecke hoch und dicht genug war, um einen halbwegs passablen Sichtschutz zu bieten. Was also tun?
Nach meinen bisherigen Erfahrungen konnten Männer über einen bestimmten Zeitraum hinweg auf fast alles verzichten: auf Essen, auf Trinken, auf Schlaf, ja sogar auf die Fernbedienung für den Fernseher, aber Sex schien für sie so etwas wie ein elementares Grundbedürfnis zu sein. Wie Atmen. Was das betraf, war Daniel bestimmt keine Ausnahme. Natürlich ist es nicht verwerflich, sich an nackten Brüsten zu erfreuen. Appetit holen darf man sich woanders, nur gegessen wird zu Hause. Doch was passiert, wenn zu Hause die Küche kalt bleibt?, fragte ich mich sorgenvoll. Würde Daniel das Problem im wahrsten Sinne des Wortes
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