Maenner in Freilandhaltung
hoffte, dass Daniel dabei die Samthandschuhe ausgezogen und Erika gehörig die Leviten gelesen hatte, was ich allerdings stark bezweifelte.
Die Hauptsache war jedoch, dass Erika versprochen hatte, ihre Enkel in Zukunft nicht mehr gegen Nina aufzuhetzen und mit Daniel an einem Strang zu ziehen. Die Auseinandersetzung zwischen Erika und mir war nicht mehr zur Sprache gekommen, was mir im Grunde genommen sogar ganz recht war. Weitere Diskussionen hätten sowieso zu nichts geführt – außer zum nächsten Streit. Wenn Erika und ich aufeinandertrafen, war die Atmosphäre zwar nicht gerade heiter und gelöst, aber wir gingen uns auch nicht an die Gurgel. Was mir ganz schön viel Selbstbeherrschung abverlangte, denn Erikas ständige Einmischungen empfand ich nach wie vor als pure Zumutung! Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie, auf den Zehenspitzen stehend, mit spitzen Lippen und ausgestreckten Zeigefinger über meinen Schrank aus Tropenholz fahren würde. Ha, da konnte die alte Schreckschraube aber lange suchen! Meine Haushaltshilfe war erst am Tag zuvor da gewesen und hatte garantiert jedes noch so winzige Staubkorn zur Strecke gebracht. Für mich gab es nichts zu tun, außer mich zu stylen und zu entspannen.
Nachdem ich mich geduscht, sorgfältig geschminkt und nach einigem Hin und Her auch die Anziehfrage zu meiner Zufriedenheit gelöst hatte, sah ich unschlüssig auf die Uhr. Ich könnte die Zeit, bis Simon mich abholen kam, nutzen, um meine Post durchzusehen. Oder ich könnte einfach mal kurz im Sauerland anrufen, um mich zu vergewissern, dass dort alles in Ordnung war.
Nach fünf Mal Klingeln ging Daniel an den Apparat. Ich erklärte ihm noch mal, bei wie viel Grad er die Lasagne, die ich mit Jettes Hilfe zubereitet hatte, im Ofen erwärmen musste – ich hatte ihm zwar einen Zettel geschrieben, aber Männer lasen ja schon aus Prinzip nie Bedienungsanleitungen. Dann bat ich ihn, mir kurz die Jungs ans Telefon zu holen, was für ziemlichen Tumult sorgte.
»Ich will Lulu sprechen.«
»Nein ich.«
»Gib mir sofort das Telefon.«
Ich hörte ein lautes Klatschen, gefolgt von einem aufgebrachten Schmerzenslaut. Beruhigt lehnte ich mich auf dem Sofa zurück und schlug die Beine übereinander. Alles bestens, den Jungs ging es blendend.
»Was habt ihr denn heute Nachmittag getrieben?«, fragte ich, ohne zu wissen, wen oder ob ich überhaupt jemanden am Apparat hatte. Vielleicht lagen auch alle drei auf dem Fußboden und rauften.
»Wir waren mit Oma auf dem Spielplatz«, gab Finn, der bei dem Streit offenbar der lachende Dritte war und den Hörer als Erster in die Finger bekommen hatte, mir bereitwillig Auskunft. »Und Lulu, soll ich dir was sagen?« Finn senkte die Stimme und fuhr, ohne meine Antwort abzuwarten, fort: »Lukas hat einen Regenwurm gegessen.«
»Petze!«, schrie Lukas im Hintergrund.
»Einen Regenwurm? Igitt!«, quietschte ich zu Finns großer Freude angeekelt. Mein Entsetzen war nicht einmal gespielt, denn allein bei dem Gedanken, dass Lukas so einen fiesen glitschigen Wurm in den Mund gesteckt hatte, schüttelte es mich. Hoffentlich hatte er den Wurm wenigstens gut gekaut, bevor er ihn heruntergeschluckt hatte. Nicht dass das Vieh womöglich noch lebte und in Lukas Bauch herumkroch!
Nachdem nacheinander auch Lukas und Christopher kurz ans Telefon gekommen waren und ich ihnen versichert hatte, dass ich am nächsten Tag ganz bestimmt zurückkommen und allen etwas mitbringen würde, verabschiedete ich mich von den Jungs und bekam von jedem der drei noch einen dicken Gutenachtkuss durch die Leitung geschickt. Ich fand es ein wenig schade, auf die feuchten Schmatzer an diesem Abend verzichten zu müssen, obwohl in Lukas’ Fall ... Der verspeiste Regenwurm war in meinem Kopf einfach noch zu präsent.
Um halb acht, keine Minute zu früh und keine Minute zu spät, klingelte es an der Tür. Noch etwas, was Simon und ich gemeinsam haben, stellte ich hocherfreut fest. Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit waren mir bei einem Mann fast ebenso wichtig wie regelmäßige Körperhygiene.
Mit klopfendem Herzen spähte ich durch den Türspion. Bei Simons Anblick machte mein Magen einen nervösen Hüpfer wie bei einer Achterbahnfahrt, wenn es plötzlich steil bergab geht. Statt steil bergab würde es mit meinem Liebesleben von nun an hoffentlich steil bergauf gehen. Der Mann, der dabei ein entscheidendes Wörtchen mitzureden hatte, sah einfach umwerfend aus! Ich drückte mir fast die Nase an der Tür platt, als
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