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Maenner in Freilandhaltung

Maenner in Freilandhaltung

Titel: Maenner in Freilandhaltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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fühlte mich wie ein Teenager vor dem ersten Date, unsicher und nervös. Was meine Vorfreude leider ein wenig dämpfte. Aber Lampenfieber vor der Premiere gehörte nun mal dazu. Da musste ich jetzt durch, und sicher würde der Abend mich doppelt und dreifach dafür entschädigen.
    Wie ich es aus Hasslingdorf gewöhnt war, grüßte ich auf dem Weg von der U-Bahn-Station nach Hause die Menschen, die mir entgegenkamen, freundlich. Die meisten von ihnen reagierten mit ratlosen Gesichtern und irritiertem Schulterzucken. Nur eine Frau mittleren Alters, die sich zu fragen schien, wo sie mich hinstecken sollte, erwiderte etwas auf meinen Gruß.
    »Entschuldigung, kennen wir uns?«
    »Nicht dass ich wüsste«, sagte ich ehrlich.
    Die Frau lachte. »Na dann, schönen Tag noch.«
    Mittlerweile hatte ich die Vorzüge des Dorflebens zu schätzen gelernt. So hielt ich beispielsweise gerne mit Rudi, unserem Postboten, vor der Haustür ein kleines Schwätzchen. Und ich mochte es, wenn Bärbel, die nette Bäckereiverkäuferin, mich beim Betreten des Ladens freundlich mit Namen begrüßte und »Wie immer?« fragte. In Düsseldorf hingegen konnte man froh sein, wenn man überhaupt bedient wurde! In einigen Bäckereien war es längst gang und gäbe, dass man sich die Backwaren selbst in die Tüte packen musste. Auch wenn die Brötchen dadurch ein paar Cent billiger waren, zog ich den persönlichen Kontakt vor. Da Bärbel nicht nur meinen Namen kannte, sondern auch wusste, dass Christopher eine Nussallergie hatte, machte sie mich darauf aufmerksam, wenn eine bestimmte Brotsorte für ihn tabu war. Außer täglich wechselnden Kuchen und Torten, die genauso traumhaft schmeckten, wie sie aussahen, hielt Bärbel für ihre Kunden stets den neuesten Klatsch und Tratsch aus dem Dorf bereit. Natürlich alles taufrisch. Wenn das kein Service war!
    Nun ja, dafür hat die Großstadt andere Vorzüge, dachte ich, während ich einen flüchtigen Blick in die Schaufenster der zahlreichen Boutiquen warf, an denen ich vorbeikam. Obwohl ich bis zu meinem Date mit Simon noch jede Menge Zeit hatte, fehlte mir die Ruhe, um die Auslagen genauer zu inspizieren oder in ein Geschäft hineinzugehen und herumzustöbern. Und so erreichte ich innerhalb weniger Minuten den schönen hellgelb gestrichenen Altbau, in dem ich wohnte. Die Stufen knarrten unter meinen Füßen, als ich in den zweiten Stock hinaufstieg.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, nach Hause zu kommen. Nach Hause? Eigentlich ist meine Wohnung gar kein richtiges Zuhause, stellte ich mit einem leisen Anflug von Wehmut fest, als ich die Tür aufschloss, und bemitleidete mich, da niemand anders da war, der das übernehmen konnte, ein bisschen selbst. Ein Zuhause war weit mehr als nur vier Wände und ein Dach über dem Kopf. Es war mehr als die Summe der Einrichtungsgegenstände und Erinnerungsstücke. Ein Zuhause war ein Ort voller Wärme und Leben. Beides vermisste ich nach den vergangenen zwei Wochen, in denen ich es im Überfluss gehabt hatte, hier mit einem Mal schmerzlich. Dank des anhaltend schönen Wetters waren die Räume zwar ziemlich aufgeheizt, trotzdem fröstelte ich. War es hier eigentlich immer schon so leer und still gewesen?
    Plötzlich sehnte ich mich nach dem Geschrei der Kinder, ihrem lauten, herzhaften Lachen und ihren Streitereien. Sogar Ernie fehlte mir! Ich dachte daran, wie er sich vor Freude fast überschlug, an mir hochsprang und versuchte, mir die Hände abzuschlecken – was Jan natürlich alles strengstens untersagt hatte –, wenn ich nach kurzer Abwesenheit wieder zur Haustür hereinkam. Hier erwartete mich, abgesehen von einem Stapel ungeöffneter Post, den meine Nachbarin gut sichtbar auf dem Esstisch deponiert hatte, niemand.
    Plan- und ziellos lief ich in meinem Wohnzimmer umher, rückte Stühle zurecht und schüttelte ein Sofakissen auf. Nach der Symphonie in Beige und Braun konnte ich mich an dem weinroten Stoff der Vorhänge kaum sattsehen. Aber die Farben waren nicht das Einzige, worin sich meine Wohnung von Daniels und Ninas Haus unterschied. In meinen vier Wänden gab es keine Lego-Steine vom Boden aufzulesen oder Playmobil-Männchen aus luftiger Höhe von Regalen und Lampen zu retten. Alles war aufgeräumt und sauber. Selbst Erikas kritischer Prüfung würde meine Wohnung standhalten.
    Den Kindern zuliebe hatte ich mich mit der alten Gewitterhexe arrangiert. Wie ich von Daniel wusste, hatte zwischen Erika und ihm ein klärendes Vieraugengespräch stattgefunden. Ich

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