Maenner in Freilandhaltung
sich nicht in die Karten gucken.
»Lass dich überraschen«, sagte er nur.
Ich versuchte, mich zu entspannen und Simons Gesellschaft zu genießen. Aber die Aussicht, einen ganzen Abend allein mit ihm zu verbringen, machte mich irgendwie nervös. Verstohlen musterte ich ihn von der Seite. Im Gegensatz zu mir machte Simon einen völlig relaxten Eindruck.
»Wie läuft’s denn so im Sauerland?«, fragte er, als wir vor einer roten Ampel hielten, und zwinkerte mir verschmitzt zu. »Schon ein paar Kühe gemolken oder Ställe ausgemistet?«
Froh, etwas gefunden zu haben, das mich von meiner Nervosität ablenkte, plapperte ich munter drauflos. Ich erzählte vom Leben auf dem Land, von den Zwillingen und von Christopher. Simon hörte aufmerksam zu, fragte hier und da nach und lachte vergnügt, als ich von Ernie und seinem Schuhfetischismus berichtete. Da Simon nur die offizielle Version kannte – während meine Schwester zur Kur war, passte ich auf die Kinder auf – und er es möglicherweise ein wenig befremdlich gefunden hätte, dass ich meinen Schwager beaufsichtigte, erwähnte ich Rebecca und Hannah nur am Rande. Genau wie Jan, wobei die Beweggründe hier ein wenig anders lagen. Aber darüber wollte ich mir jetzt lieber keine Gedanken machen.
»Scheint so, als würde es dir in Haseldorf richtig gut gefallen«, sagte Simon, als ich meine Erzählung beendet hatte.
»Hasslingdorf«, berichtigte ich und stellte zu meiner Verwunderung fest, dass Simon recht hatte. Obwohl ich das bei meiner Ankunft im Sauerland nie für möglich gehalten hätte, fühlte ich mich mittlerweile in Hasslingdorf tatsächlich sehr wohl.
»Muss ich mir Sorgen machen?«, flachste Simon. »Nicht dass du womöglich gar nicht mehr zurückkommen willst.«
»Keine Bange.« Lachend winkte ich ab. »Stell dir mal vor, in dem Ort gibt es gerade mal zwei Boutiquen und kein einziges Restaurant.«
Wie auf Kommando manövrierte Simon in diesem Moment seinen Audi geschickt in eine Parklücke. Neugierig sah ich mich um und bereute es mit einem Mal, dass ich zu Hause nicht noch ein Schnittchen oder zumindest einen Joghurt gegessen hatte. Zwar konnte ich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse mit den asiatischen Schriftzeichen auf dem Schild über der Eingangstür des Restaurants, vor dem wir geparkt hatten, nichts anfangen, wohl aber mit den schwarzen geschwungenen Buchstaben auf der Fensterscheibe: Sushi-Bar.
Simon strahlte mich erwartungsvoll an. »Ich hoffe, du magst Sushi.«
Ich gab einen zustimmenden Laut von mir. Hoffen durfte er schließlich ... Hätte Simon es mir überlassen, das Restaurant auszusuchen, wäre eine Sushi-Bar nicht unbedingt meine erste Wahl gewesen – nicht einmal zweite, dritte oder zehnte. Sogar eine Bahnhofskaschemme wäre mir lieber gewesen! Zwar aß ich hin und wieder ganz gerne Fisch, aber nur wenn er in Stäbchenform gepresst und fingerdick mit Panade umhüllt war. Kalter, roher Fisch war nicht gerade das, was meine Geschmacksknospen aufblühen ließ. Aber das behielt ich lieber für mich. Zum einen hatte Simon sich im Vorfeld sicherlich genau überlegt, wohin er mich bei unserem ersten Date ausführen wollte, zum anderen wollte ich nicht gleich als zickige Nervensäge dastehen, die an allem etwas rumzumäkeln hatte.
Dem äußeren Erscheinungsbild nach zu urteilen, handelte es sich bei dem von Simon ausgewählten Restaurant nicht um einen billigen Asia-Imbiss, sondern um ein schickes Szenerestaurant. Grund genug zur Hoffnung, dass die Portionen im Gegensatz zu den Preisen sehr klein sein würden. Hey, ich hab schon ganz andere Dinge überstanden, da werden mich so ein paar Sushi-Röllchen schon nicht umbringen, sprach ich mir selbst Mut zu, während ich an Simons Seite das Restaurant betrat.
»Auf einen schönen Abend«, sagte Simon.
»Auf einen schönen Abend.« Ich verzog das Gesicht, weil der Reisschnaps, den wir zur Begrüßung in einem kleinen Porzellanbecherchen serviert bekamen, wie Feuer in der Kehle brannte.
»Hat Pia dir schon erzählt, dass Lenski vor ein paar Tagen in der Kanzlei aufgetaucht ist?«, fragte Simon, nachdem wir unsere Bestellung aufgegeben hatten.
»Lenski? Ich dachte, der wäre den ganzen Monat über in den Staaten!«
Gustav Lenski war so etwas wie die Galionsfigur eines in den USA ziemlich angesagten Modelabels. Ich hatte ihn durch Zufall bei einem Kongress kennengelernt, und wir waren ins Gespräch gekommen. Bislang hatte seine Firma sich auf den amerikanischen Markt konzentriert, aber nun
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