Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
ist.
»Genau. Der will hier auf Sylt richtig was bewegen. Windkraft und Ökostrom und so.«
»Und was interessiert Sie persönlich an dem Mann?«, versucht Pabst das Gespräch in therapierelevante Bahnen zu lenken.
»Ich denke daran, ein Buch über ihn zu schreiben. Eine Mischung aus Homestory und politischem Manifest wäre ideal. Ein ganz neues Format eben. Ich weiß, dass das ein schwieriger Ansatz ist, aber …«
Während Fred Hübner ein detailliertes Konzept entwickelt, wandern die Gedanken seines Analytikers immer wieder zurück zu den Ereignissen der vergangenen Nacht. Was gäbe er darum, alles rückgängig machen zu können!
Erst sein kleines privates Besäufnis, dann diese hirnrissige Autofahrt, die in der Begegnung mit der verhuschten Mönchinger-Ehefrau mündete, die so ganz anders wirkte, als die Rothaarige auf dem Foto, und anschließend seine Flucht …
»Sagen Sie mal, Herr Pabst, hören Sie mir überhaupt zu?« Die Stimme Fred Hübners reißt den Analytiker abrupt aus seinen Erinnerungen. »Sonst kann ich mir den Weg zu Ihnen nämlich in Zukunft auch sparen.«
Das ist deutlich. Fahrig streicht sich der Manfred Pabst übers Gesicht. Sein Patient hat sich längst aufgerichtet und mustert ihn mit irritiertem Blick.
»Ist irgendwas mit Ihnen? Wenn Sie wollen, können wir gern mal für zehn Minuten tauschen. Ich frage mich ohnehin schon seit Wochen, wie man sich fühlt, wenn man da hinten auf dem Sessel sitzt und Geld dafür kassiert, dass man im Seelenmüll anderer Leute rumstochert.«
Manfred Pabst bringt ein kurzes Lachen zustande, das sich eher wie ein verunglücktes Husten anhört.
»Ich habe in der letzten Nacht miserabel geschlafen. Und ich war eben wirklich unkonzentriert, tut mir leid. Vielleicht könnten Sie kurz Ihr Konzept noch einmal erläutern? Es scheint ja tatsächlich etwas zu sein, das Sie antreibt und endlich wieder nach vorn blicken lässt.«
Fred Hübner bedenkt seinen Analytiker zwar mit einem skeptischen Blick, als habe er große Zweifel an dessen Konzentrationsfähigkeit, lässt sich aber auf eine Wiederholung seiner Ausführungen ein.
Glück gehabt, denkt Pabst und nimmt sich vor, in der kommenden Nacht sicherheitshalber ein oder zwei Schlaftabletten zu nehmen, damit sich ähnliche Szenen in den nächsten Tagen nicht wiederholen werden. Wäre ja noch schöner, wenn er sich mit den Erinnerungen an die letzte Nacht seinen Ruf als Koryphäe des Fachs ruinieren würde. So viel Aufmerksamkeit hat Hubert Mönchingers kleine rothaarige Schlampe nun auch nicht verdient.
Freitag, 17. Juni, 15.30 Uhr,
Nordseeklinik,
Westerland
»Sie ist noch so, wie wir sie bekommen haben. Details zu den Umständen des Todes können Sie erst morgen erwarten, vorher wird das nichts mit der Autopsie«, raunt der Rechtsmediziner Bastian Kreuzer zu, als dieser mit Hubert Mönchinger den pathologischen Trakt der Nordseeklinik betritt. Dr. Bernstein ist ein hagerer Fünfzigjähriger, dessen Backenbart an Spitzweg-Figuren erinnert. Mit federnden Schritten führt er Bastian Kreuzer und den unglücklichen Ehemann zu der Bahre, auf der die Tote liegt.
»Es geht uns im Moment erst mal um die Identifizierung.« Der Hauptkommissar wendet sich Hubert Mönchinger zu. »Herr Mönchinger, sind Sie so weit?«
Als Dr. Bernstein vorsichtig das Tuch über dem Gesicht der Rothaarigen zurückschlägt, zuckt Mönchinger zusammen. Gegen die kalkig blaue Blässe des Frauengesichts wirkt die Haarfarbe wie ein Feuerkranz. Notdürftig hat man die Locken geordnet, aber die Fliegenbisse entstellen das ehemals schöne Gesicht. Geduldig wartet Bastian Kreuzer darauf, dass der Ehemann sich fasst. Es wundert ihn noch nicht einmal, als Mönchinger jetzt heftig den Kopf schüttelt. Natürlich will er nicht wahrhaben, dass die Liebe seines Lebens hier vor ihm auf einer Stahlliege gelandet ist. Ermordet und vielleicht sogar geschändet.
Doch Hubert Mönchinger hört gar nicht mehr damit auf, den Kopf zu schütteln. Heftig ringt er nach Luft, dann spuckt er die Worte einzeln aus, als ekelten sie ihn unendlich.
»Das … ist sie nicht. Auf keinen Fall. Marga … sieht ganz anders aus. Die Nase ist kleiner und der Mund breiter. Und die Wangenknochen …« Hubert Mönchinger unterbricht sich, aber nur um all seine Entrüstung in seiner Stimme zu sammeln. »Warum haben Sie mir das angetan? Dieser Schreck vorhin, das musste doch nicht sein«, empört er sich schließlich.
»Sind Sie ganz sicher, dass es sich bei der Toten
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