Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
ausweicht, aber sein Erstaunen nicht verbergen kann.
»Ihr Bruder sagte mir eben, Sie seien nicht im Haus gewesen.«
»Mein Bruder irrt sich«, entgegnet Christa Mönchinger mit fester Stimme. »Ich weiß, dass er und Marga es vorziehen, wenn ich sie donnerstags allein lasse – bei ihrem liebevollen Abschiedsritual«, fügt sie mit spöttischem Lachen an. »Aber nicht immer kann ich eine meiner Freundinnen überreden, sich mit mir zu treffen. Und ich werde mich doch nicht allein in irgendein Lokal setzen, nur damit mein kindischer Bruder sich ungestört von seiner Herzensallerliebsten verabschieden kann.«
»Du warst schon häufiger dabei?«, stößt Hubert Mönchinger entsetzt aus.
»Na ja, was heißt schon dabei. Um dich zu beruhigen, tue ich dann so, als verließe ich das Haus. Aber in Wirklichkeit gehe ich oft leise in mein Zimmer zurück. Dort lese ich meistens oder ich sehe fern, mit Kopfhörern selbstverständlich.«
Hubert Mönchinger starrt seine Schwester an, als habe sie soeben einen Mord gebeichtet. Bastian Kreuzer lässt seine Blicke interessiert zwischen den Geschwistern hin und her wandern. Doch entgegen seinen Erwartungen kommt nichts mehr.
»Okay, halten wir fest: Sie, Frau Mönchinger, waren am Donnerstagabend im Haus«, sagt der Kommissar in neutralem Tonfall und wendet sich anschließend mit einer fast werbenden Geste dem Bruder zu. »Seien Sie doch froh, Herr Mönchinger, dass es so war, denn jetzt haben wir eine wichtige Zeugin für die Geschehnisse des Abends.«
Mönchinger nickt fahrig und ringt ruhelos die Hände. »Warum hast du mir das nicht längst erzählt?«, will er von seiner Schwester wissen.
»Du hast mich nicht gefragt«, antwortet sie schnippisch. »Du fragst mich überhaupt sehr selten noch etwas …«
Abrupt unterbricht Bastian den Dialog.
»Aber jetzt frage ich Sie, Frau Mönchinger: Haben Sie irgendetwas Auffälliges in der Nacht vom Donnerstag auf den Freitag beobachtet?«
Christa Mönchinger setzt den Kaffeebecher ab, den sie die ganze Zeit zwischen den Fingern gedreht hat, und holt tief Luft. Ihr Bruder dagegen scheint den Atem anzuhalten.
»Ja, das habe ich tatsächlich. Einiges sogar. Nachdem Hubert uns verlassen hatte, ging Marga wieder ins Haus. Nicht dass sie die Küche aufgeräumt hätte, das war immer unter ihrer Würde, aber sie zog im Wohnzimmer etliche Schubladen auf und schien dort etwas zu suchen. Dann ging sie hinauf, holte einen Koffer aus der Kammer, schleppte ihn in euer Schlafzimmer und schien zu packen.«
Sie wirft ihrem Bruder einen triumphierenden Blick zu.
Also doch, denkt Bastian Kreuzer entnervt. Der Typ hat mir einen Bären aufgebunden. Er hat sich mit seiner jungen, äußerst attraktiven Frau gekracht, und sie ist abgehauen. Mehr nicht. Und ich Depp verschwende meine Zeit mit diesem Blödsinn, weil ich denke, wir müssten einen zweiten Mord verhindern.
Ein Japsen Hubert Mönchingers unterbricht Bastians Gedanken.
»Sag, dass das nicht wahr ist!«
»Warum sollte ich lügen? Und es kam noch besser. Etwa zwanzig Minuten, nachdem Marga das Haus verlassen hatte, zu Fuß, den Koffer zog sie hinter sich her, wenn ihr mich fragt, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass sie zum Bahnhof wollte, schließlich ist der nur fünf Minuten entfernt …« Verwirrt unterbricht sich Christa Mönchinger. »Wo war ich? Ach so, ja, also ungefähr zwanzig Minuten später, gegen Mitternacht denke ich, ich war gerade dabei einzuschlafen, da klingelt es unten an der Tür.«
»Nein!« Kaum ist das Wort heraus, stürzt der Hausherr auf seine Schwester zu und packt sie an den Schultern. »Nicht Smentek! Bitte sag mir, dass es nicht Smentek war!«
Neugierig beobachtet Bastian Kreuzer die Geschwister. Es befriedigt ihn innerlich, dass er gleich in der ersten Vernehmung geahnt hat, dass dieser Typ irgendwie in der Sache mit drinhängt. Doch bevor Bastian in Gefahr gerät, sich in Selbstlob zu suhlen, zerstreut Christa Mönchinger jeden Verdacht.
»Nein, es war nicht Margas widerlicher Bruder. Der Kerl, der vor der Tür stand, war nicht schmal und wendig, sondern ziemlich groß und wuchtig.« Mit einem ironischen Blitzen in den Augen lässt sie ihren Blick über Bastians massige Gestalt gleiten. »Im Grunde genommen glich er dem Kommissar körperlich. Er war vielleicht noch ein bisschen übergewichtiger. Dafür hatte er erheblich weniger Haare auf dem Kopf. Und wahrscheinlich noch weniger Hirn darin.«
» Noch weniger Hirn als ich? Was soll das werden?
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