Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Eine Beamtenbeleidigung?«, fährt Bastian sie an.
Christa Mönchinger stößt ein heiseres Lachen aus, hustet dann kurz und erklärt ruhig: »Sie haben mich falsch verstanden. Noch weniger Hirn im Kopf als Haare darauf. Das habe ich gemeint.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Ganz einfach. Er redete wirres Zeug. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr an die Einzelheiten erinnern. Ich hatte wahnsinnige Angst, weil ich dachte, Hubert sei etwas zugestoßen. Der Mann hielt mich nämlich für deine Frau«, jetzt wendet sie sich wieder direkt an ihren Bruder, »und er stammelte alles Mögliche vor sich hin, das irgendwie mit dir zu tun hatte.«
»Er hat also nicht zufällig an Ihrer Haustür geklingelt, sondern wusste, wer dort wohnt«, wirft Bastian ein.
»Offenbar. Er erklärte mir, er habe einen Schwächeanfall gehabt und sei zufällig in der Nähe gewesen. Aber so recht geglaubt habe ich ihm nicht, eher kam er mir wie ein entlaufener Irrer vor. Trotzdem wollte ich ihn hereinbitten, ich weiß auch nicht, warum. Zum Glück hat er abgelehnt. Wie ein verschreckter Hase ist er durch den Vorgarten zurück auf die Straße gelaufen. Ich müsste lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass ich heilfroh darüber war.«
»Und dann?«, will Bastian wissen.
»Dann war er weg. Verschwunden in der Dunkelheit. Mit der Straßenbeleuchtung ist es ja nicht weit her in unserem Viertel. Aber wen schert das schon? Hauptsache, die Touristenmeilen leuchten in der Nacht wie die Sünde selbst«, beschließt Christa Mönchinger verbittert ihre Suada.
»Und das ist alles, was in dieser Nacht Ungewöhnliches geschehen ist?« Bastian Kreuzer steht auf.
»Reicht Ihnen das nicht? Meine Frau verschwindet, und ein Unbekannter bedroht meine Schwester«, fährt Hubert Mönchinger ihn an. Seine Hände zittern und seine Augen streifen unruhig durch den Raum.
»Doch es reicht mir«, antwortet der Kommissar mit leiser Stimme. »Aber anders, als Sie es vielleicht erwarten. Nach der Aussage Ihrer Schwester würde ich Ihnen empfehlen, von einer Suchmeldung nach Ihrer Frau Abstand zu nehmen. Ganz offensichtlich haben Sie mir etwas verschwiegen. Wenn eine Ehefrau heimlich abreist, dann sollte ihr Mann doch wohl wissen, worin die Gründe dafür liegen. Gerade wenn die Beziehung so innig war, wie Sie sie beschrieben haben.«
Bastian Kreuzer steht auf und wendet sich zur Tür, dreht sich aber noch einmal um. »Falls Sie es vergessen haben sollten: Ich bin von der Mordkommission und nicht hauptberuflich mit der Suche nach entlaufenen Ehefrauen befasst. Also überlegen Sie sich gut, was Sie unternehmen werden, und reden Sie erst mal mit Ihrer Schwester, bevor Sie uns weiter bemühen. Wahrscheinlich fällt Ihnen beiden auch ohne uns eine praktikable Lösung ein.«
Wutschnaubend verlässt Kreuzer das Backsteinhaus. Er wirft sich draußen hinter das Steuer seines Wagens und startet ihn mit röhrendem Motor. Wenn die Kriminalpolizei sich in alle Familienstreitereien einmischen würde, dann käme sie aus dem Sumpf gar nicht mehr heraus. Die sollen sich seinetwegen gegenseitig was vormachen, aber ihn gefälligst in Ruhe lassen. Noch während der kurzen Fahrt zurück zu seiner Wohnung ruft er Sven auf dem Handy an.
»Vergiss diesen Mönchinger«, bellt Bastian Kreuzer hinein. »Der führt uns an der Nase rum. Läuft zur Polizei und markiert den Geschockten, während er zu Hause nur seine Schwester hätte fragen müssen, um zu erfahren, was eigentlich los ist. Aber das hätte ihn ja mit der Wahrheit über seine Ehe konfrontiert. Dem ist wahrscheinlich eine tote Frau lieber als eine, die ihn verlässt, weil sie ihn nicht mehr ertragen kann …«
»Bist du fertig?«, unterbricht Sven den Kollegen mit entschiedener Stimme.
»Nein, aber das kümmert dich wahrscheinlich wenig«, gibt Bastian schon etwas besänftigt zurück.
»Ich habe hier nämlich etwas, das uns interessieren sollte.«
»Wo ist hier und was ist es?«
»Ich bin gerade im Kommissariat, wir müssen uns knapp verpasst haben, sagen die Kollegen von der Wache. Und jetzt halt dich fest: Ich bin nicht allein. Gerade eben ist hier ein Zeuge reingeschneit, der Wichtiges auszusagen hat.«
»Mach’s nicht so spannend, Mensch. Was ist los?«
»Du wirst es nicht glauben, also komm einfach her und hör es dir mit eigenen Ohren an.«
Sonntag, 19. Juni, 10.40 Uhr,
Kriminalkommissariat Westerland
In dem gemeinsamen Büro von Sven Winterberg und Bastian Kreuzer sitzt der Journalist Fred Hübner sehr
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