Männer sind Helden
ein eigenes Zimmer in meiner Wohnung gewünscht. Ich hatte ihr das Gästezimmer angeboten. Vorher wollten wir es aber neu streichen und den alten Teppich rausreißen. Da in meinem Arbeitszimmer und im Flur eine hässliche Blümchentapete vom Vormieter an den Wänden hing, beschlossen wir, dort ebenfalls neu zu tapezieren und alles weiß zu streichen. Rudi, Susi, Irene und Mike hatten sich spontan bereiterklärt, uns zu helfen. Allerdings hatte ich eigentlich Udo und Irene gefragt, ob sie nicht kommen könnten, aber an diesem Tag war Irene einfach mit Mike aufgetaucht. Die Mädchen im Zimmer nebenan schienen sich gut zu verstehen. Sie sangen alle drei lauthals den Song „Diamonds are the girls best friends“ mit, der im Radio gespielt wurde. Wir Männer schwiegen, arbeiteten und kamen gut voran. Ich hatte meine Wand schon fast von der Tapete befreit, nur noch zwei Bahnen waren übrig. Wahrscheinlich haben die Mädchen gerade mal zusammen eine Wand gestrichen, dachte ich. Und wie ich die Frauen kenne, müssen wir danach bestimmt alles noch einmal streichen, weil sie die Farbe bei ihrem Gequatsche nicht richtig verteilt haben. Ich zog eine Bahn der alten Tapete von der Wand.
„Wann wollt ihr eigentlich zusammenziehen?“, fragte ich Rudi, der sich mittlerweile bis zur Mitte der Zimmerdecke vorgearbeitet hatte.
Rudi setzte seine Spachtel ab und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
„Wir sind dabei, uns ein Haus zu suchen. Susi möchte unbedingt aufs Land ziehen, wisst ihr. Sie träumt von einem großen, bunten Bauerngarten mit einem kleinen Teich, auf dem eine Entenfamilie schwimmt.“
„Aber das ist doch bestimmt ganz schön teuer“, sagte Mike, der angefangen hatte, die alten Tapetenreste in eine Plastiktüte zu stopfen.
„Sicher ist das teuer, aber ich habe auch eine Menge Geld gespart. Schließlich kann ich mein Geld nicht mit ins Grab nehmen.“
Während Rudi weiterarbeitete, betrachtete ich ihn, ohne dass er es merkte. Nein, war das wirklich mein alter Freund Rudi, der größte Geizkragen nördlich der Elbe, der eben gesprochen hatte? Er sah jedenfalls so aus, mit seinen kurzen, aber kräftigen Beinen, die in einer bunt gemusterten Hawaii-Shorts steckten. Auch sein Gesicht sah aus wie immer, mit der fleischigen, aber wohlgeformten Nase, den etwas zu eng stehenden, hellen, intelligenten Augen und dem schmallippigen Mund.
Auf den zweiten Blick erkannte ich aber, dass sich etwas verändert haben musste. Er sah jugendlicher, entspannter und glücklicher aus, als ob er einen Becher aus dem Jungbrunnen getrunken hätte. Susi steckte ihren blonden Schopf durch die Tür. „Wir sind drüben fertig“, sagte sie. „Wir wollten jetzt für alle eine Pizza bestellen, was haltet ihr davon?“
Wir drei hielten sehr viel davon, denn von der anstrengenden körperlichen Arbeit waren wir bärenhungrig geworden.
„Ich könnte ein halbes Schwein auf Toast essen“, sagte Mike und rieb sich mit der flachen Hand über den Bauch. „Ich brauche eine Familienpizza ganz für mich alleine.“
„Alles klar“, sagte Susi, „dann rufe ich jetzt bei Pizza-Blitz an.“
Eine halbe Stunde später saßen wir alle im Schneidersitz auf dem Fußboden in meinem Arbeitszimmer und ließen uns die Pizzen schmecken. Das Fenster stand offen und eine laue Brise strömte zu uns herein. Es war schon fast acht Uhr, die Sonne ging gerade unter und tauchte zum Abschied alles noch einmal in ein warmes, goldgelbes Licht.
„Was sollen wir denn als Nächstes machen?“, fragte Isabel kauend.
„Für heute reicht es“, erwiderte ich, „ich finde, wir machen morgen weiter.“ Alle waren damit einverstanden und versprachen, am nächsten Tag rechtzeitig zum Arbeitsdienst zu erscheinen.
Zwei Stunden später saßen Isabel und ich in der Badewanne, bis zur Nase in Schaum gehüllt, und wuschen uns den Schmutz des Arbeitstages vom Leib. Auf dem Rand der Badewanne standen zehn Teelichter und unsere Sektgläser. Ich tauchte unter, prustete wie ein Seelöwe und fühlte mich pudelwohl.
Isabel shampoonierte sich den Kopf, auf ihrem Haar türmte sich ein riesiger, duftender Schaumberg, durch den dunkle Haarsträhnen schimmerten. Sie sah aus wie ein hübscher weißer Fliegenpilz.
„Worüber habt ihr eigentlich in eurem Zimmer geredet?“, fragte ich sie.
„Warum willst du das wissen?“
„Weil mich das interessiert, mein kleiner blinder Maulwurf.“
„Wir haben über alles Mögliche geredet, nichts Besonderes. Und
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