Männer sind Helden
schreien. Pastor Grobian lächelte dankbar, holte tief Luft und sprach: „Liebe Gemeinde, liebes Brautpaar. Wir sind heute zusammengekommen ...“ In diesem Moment stürmte ein kleines, weißes Etwas auf den Traualtar zu, das sich bei näherem Hinsehen als Highlandterrier entpuppte. Der Hund kläffte wie wild und versuchte, das Ende des Brautschleiers zu erhaschen, als sein Frauchen ihn in letzter Minute erwischte und davontrug. Der Rest der Trauungszeremonie verlief dann ohne Zwischenfälle. Als das frisch vermählte Ehepaar die Kirche verließ, läuteten noch einmal die Glocken. Alle Hochzeitsgäste stellten sich an, um Rudi und Susi zu gratulieren. Frau Rembrandt kam auf uns zu, ein Spitzentaschentuch in der Hand. Sie blieb stehen und schnäuzte sich vor Rührung. „Herr Grühnspahn“, sagte sie, „ist es nicht schön? Dass ich das noch erlebe!“ Eine Kutsche mit vier Schimmeln kam um die Ecke gebogen, und ein „Ohh“ und „Ahh“ ging durch die Menge.
„Rudi und Susi haben aber auch nichts ausgelassen!“, sagte Isabel und kicherte. Der rothaarige Junge war ebenfalls tief beeindruckt: „Das sieht ja aus wie bei Aschenputtel“, meinte er und setzte sich eine blaue Schirmmütze verkehrt herum auf den Kopf. Rudi half seiner Braut in die Kutsche, und wir anderen gingen los zu unseren Autos. Das Gut, in welchem die Hochzeitsfeier stattfinden sollte, war fast zwei Kilometer von der Kirche entfernt. Der Kutscher ließ die Schimmel antraben, und wir Gäste fuhren in einer langen Autokolonne hinterher.
Die Sonne hatte die letzten Wolken vertrieben, und es war spätsommerlich warm. Wir durchquerten ein Dorf, kamen an grünen Weiden vorbei, auf denen schwarzbunte Kühe friedlich grasten, und erreichten schließlich das Gut. Das Herrenhaus lag am Ende einer langen Baumallee, inmitten eines Laubwaldes. Der Kutscher ließ die Pferde vor dem Eingang des Nebengebäudes anhalten. Sofort kamen Kellner mit langen, weißen Schürzen heraus, um das Hochzeitspaar und die Gäste zu begrüßen. Nach dem Sektempfang auf der Terrasse sollten alle an den festlich geschmückten Tafeln im großen Spiegelsaal Platz nehmen. Ich staunte nicht schlecht. Allein die aufwendige Blumendekoration musste ein Vermögen gekostet haben. Wie hatte Susi es nur geschafft, dem geizigen Rudi so viel Geld aus dem Kreuz zu leiern?
„Sag mal, wer muss eigentlich die Hochzeitsfeier bezahlen?“, flüsterte ich Isabel zu, die sich gerade ihren Stuhl zurechtrückte.
„Ich glaube, die Braut“, flüsterte Isabel zurück. Sie klappte ihren Handspiegel auf und überprüfte mit kritischem Blick ihr Make-up. Dann fügte sie hinzu: „Früher war das jedenfalls so.“ Wir saßen zusammen an einem Tisch mit Frau Rembrandt und zwei unverheirateten Tanten von Susi, Irmgard und Gerda Schnurr. Die beiden waren klein und mollig, mit gutmütigen Gesichtern. Beide trugen buntgeblümte Sommerkleider und altmodische Hüte aus Filz.
„Nennen Sie mich einfach Irmi“, sagte Tante Irmgard und knuffte mir freundschaftlich in die Seite. Dann fing sie an, mir Schwanks aus ihrem Leben zu erzählen: „Ich bin ja auch einmal fast verheiratet gewesen. Er hieß Walter und fuhr zur See. Wir waren drei Jahre verlobt, aber hatten uns in der Zeit auch nur dreimal gesehen.“
Bevor sie ins Detail ihres offensichtlich noch immer jungfräulichen Lebens gehen konnte, brachten die Kellner die Vorsuppe, eine Consommé mit Gemüsestreifen. Der Vater von Susi hielt eine kurze Ansprache, dann löffelten alle ihre Suppe. Die beiden Tanten aßen mit großem Appetit. Als Tante Irmi fertig war, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück: „Das hat aber gut geschmeckt!“ Dann nahm sie die Speisekarte, um zu sehen, was als Hauptgang serviert werden würde: „Filets vom Rind und Schwein, Sauce Béarnaise, Kroketten und dreierlei Fruchtpüree an Vanilleeis“, las sie vor und bekam glänzende Augen.
„Ich freue mich ja so für die beiden!“, sagte sie dann unvermittelt und klatschte in die Hände. „Und vor allem freuen wir uns auf das Kind, nicht wahr, Gerda?“
„Ja, Kinder sind das Schönste, was es gibt“, pflichtete Tante Gerda ihrer Schwester bei. „Ich freue mich ja schon so darauf, auf das Kleine aufzupassen.“
Nun wurde Frau Rembrandt hellhörig: „Also, das wird ja wohl nur selten erforderlich sein“, sagte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Schließlich bin ich auch noch da!“
Tante Irmi schnappte beleidigt nach Luft, aber ehe sie etwas erwidern konnte,
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