Männer sind Helden
„Willst du dir nicht auch Gemüse kaufen?“, fragte er mich, während er seine Tüten im Einkaufswagen stapelte.
„Nein danke, ich bin doch kein Kaninchen.“
Im Auto erklärte mir Rudi die Vorzüge der vegetarischen Ernährung: „Ich fühle mich wie neugeboren, seit ich in erster Linie Gemüse und Obst esse. Mein ganzer Stoffwechsel hat sich verändert, ich bin geistig und körperlich viel vitaler. Das würde dir genau so gehen. Du müsstest allerdings mit dem Rauchen aufhören.“ Er runzelte missbilligend die Stirn, als ich mir eine Zigarette anzündete. Ich kurbelte das Fenster hinunter und blies den Rauch nach draußen. „Aber dieses Grünzeug ist doch ganz schön teuer“, sagte ich.
„Was ist schon Geld?“
„Da hast du aber auch schon ganz anders geredet.“
„Ja, aber es hat sich in meinem Leben ja auch einiges geändert. Ich bin jetzt einundvierzig und habe beruflich gesehen alles erreicht. Nun ist eine neue Phase angebrochen. Ich habe die Frau meines Lebens gefunden, werde Vater, wohne nicht mehr in einer schmuddeligen Studentenbude, sondern in einem schönen Haus.“
„Dann fehlt ja nur noch der Apfelbaum“, bemerkte ich trocken.
„Apfelbaum?“
„Es heißt doch, dass jeder Mann in seinem Leben einen Sohn zeugen, ein Haus bauen und einen Apfelbaum pflanzen soll.“
Wir erreichten den Parkplatz vor der Tennishalle. Es regnete, und wir rannten mit unseren Taschen zum Eingang, um nicht nass zu werden. Die erste halbe Stunde wollte Rudi nur lange Bälle spielen. „Ich möchte mein Ballgefühl trainieren“, sagte er und schlug derart sanft auf, dass ich überhaupt keine Mühe hatte, den Ball zurückzubringen.
„Ich finde, dass es auch wichtig ist, schöne Bälle zu spielen“, sagte Rudi, als wir eine kleine Pause machten. Er rubbelte mit einem Handtuch seine Haare trocken und zog zwei Bananen aus der Tasche. „Möchtest du auch eine?“
„Nein danke“, erwiderte ich und biss in meinen Schokoriegel.
„Da ist unheimlich viel Magnesium drin. Das ist ein sehr wichtiges Mineral, gerade für Sportler“, erklärte Rudi.
„Und bei mir ist Traubenzucker drin. Der bringt verbrauchte Energie sofort zurück.“
Rudi lachte: „Aber Alex, du wirst doch nicht auf so einen Mist reinfallen? Kann ja sein, dass die da auch Traubenzucker hineingetan haben. Wahrscheinlich ein Prozent, wenn es hoch kommt. Aber der Rest besteht doch nur aus Fetten und Zucker. Völlig leere Kalorien.“
Trotz der leeren Kalorien schlug ich Rudi 6:4, 6:4. „Ich freue mich so für dich“, sagte er, als wir uns über dem Netz die Hände reichten. Ich dachte: So macht Gewinnen überhaupt gar keinen Spaß.
Frisch geduscht trafen wir uns im Restaurant, um eine Kleinigkeit zu essen. Ich bestellte mir ein Rindersteak mit Folienkartoffel, Rudi einen Chefsalat. Die Bedienung, eine freundliche Studentin in Jeans und weißem T-Shirt, brachte uns zunächst die Getränke, ein schönes großes Pils und ein Mineralwasser ohne Kohlensäure. Ich ließ das Bier durch meine ausgedörrte Kehle zischen, während Rudi an seinem Mineralwasser nippte.
„Kann ich noch ein Bier haben?“, rief ich der Kellnerin zu, um den Nachschub gleich zu sichern. Dann fragte ich Rudi: „Und wie schmeckt dir die Ehe?“ Er richtete sich auf und blickte für einen Moment durch das große Fenster an seiner Seite, anscheinend um zwei Jugendliche zu beobachten, die sich auf Platz Eins ein spannendes Match lieferten.
„Ich bin sehr zufrieden“, sagte er und schob sein Kinn trotzig nach vorne. „Susi ist eine sehr gute Ehefrau. Sie kocht, putzt, schmiert mir morgens sogar Stullen für die Arbeit. Das einzige, was mich stört ist.“ Er machte eine Pause und schaute erneut durchs Fenster.
„Ja, was?“
„Wie soll ich das sagen“, druckste er herum. „Mich nervt, dass Susi zu bestimmend ist. Alles muss immer nach ihrer Nase gehen. Vorgestern hat sie zum Beispiel einfach meinen schönen alten Ohrensessel, den ich von meiner Mutter bekommen habe, zum Sperrmüll gegeben. Das sei doch alter Kram, hat sie gesagt.“
Ich nickte verständnisvoll, denn ich musste an mein geliebtes Mickey-Maus T-Shirt denken. Die Kellnerin brachte das Essen. „Guten Appetit!“, sagte sie und zwinkerte mir schelmisch zu. Sie drehte sich um, und für einen Augenblick blieben meine Augen auf ihrem hübschen Hinterteil haften. Rudi steckte sich eine Tomate in den Mund: „Das ist aber nicht alles. Seit einiger Zeit faselt sie immer von der Emanzipation der Frau. Sie will
Weitere Kostenlose Bücher