Maenner und andere Katastrophen - Roman
Dinge. Sie sind jetzt schon die dritte Aushilfe, mit der wir uns hier herumschlagen müssen.«
Sie öffnete die Bürotür schräg gegenüber. Ein muffig-süßlicher Geruch schlug uns entgegen.
»Hier werden Sie arbeiten, Frau Dings. Sie erledigen die Korrespondenz für den Abteilungsleiter, Herrn Römer, und die Herren Schmiede und Schimmler-Kottenbrocke, wobei Sie aber von Glück sagen können, dass Herr Schmiede zurzeit auf Erziehungsurlaub ist.«
»Für wie lange?«, fragte ich und sah mich entsetzt im Raum um.
»Für drei Jahre«, antwortete die Mehlig.
Den würde ich jedenfalls nicht mehr kennen lernen, so viel stand fest.
»Ich zeig Ihnen, wie Sie den Computer an- und ausschalten, den Rest sollten Sie selber können«, fuhr die Mehlig fort. »Ihre Vorgängerin, eine Frau Dings, hatte hier alles voll im Griff.«
Ich sah mich ungläubig im Raum um. An den Wänden entlang zogen sich Regale hin, in denen Hunderte und Aberhunderte von Ordnern und Kartons in wüster Unordnung gestapelt waren, vor dem Fenster, das einen feinen Ausblick auf die Gleise des Hauptbahnhofes bot, kümmerten ein paar Pflanzen vor sich hin, unter denen sich Haufen mit trockenem Laub gebildet hatten. Schreibtisch und eine Art Sideboard waren beinahe vollständig unter meterhohen Papierstapeln begraben, und überall standen leere Automatenflaschen Cola Light herum und bildeten klebrige Kränze. Dass meine Vorgängerin hier alles voll im Griff gehabt hatte, wagte ich zu bezweifeln.
»Hier geht der Computer an«, erklärte die Mehlig und zeigte auf den Power-Knopf. »Das Kennwort liegt in der obersten Schublade, Bänder und Diktiergerät sind hier. Wenn Sie noch Fragen haben, bedenken Sie, dass ich weiß Gott Besseres zu tun habe.«
Ich hob zwei Colaflaschen vom Boden auf.
»Werden die Büros denn nicht gereinigt?«
»Jeden Abend natürlich«, sagte die Mehlig und ging zur Tür. »Und sehen Sie zu, dass Sie mit der Ablage nachkommen, das sieht ja schlimm hier aus. Die arme Frau Meister wird Zustände bekommen, wenn sie wiederkommt.«
»Wer ist Frau Meister?«
»Das ist die Dame, die diesen Posten von Rechts wegen innehat«, erklärte die Mehlig. »Aber sie ist krank. Auf unbestimmte Zeit. Schluss jetzt mit der Fragerei, ich habe auch noch was zu tun. Mahlzeit.«
Sie verschwand wie ein mehliger Blitz durch die Tür. Ich ließ mich hilflos auf den Schreibtischstuhl fallen und drehte mich immer noch fassungslos einmal um die eigene Achse. Chaos, wo man hinsah. Womit hatte ich das verdient? Ich seufzte und versuchte nachzudenken.
Eigentlich hatte ich nur zwei Möglichkeiten. Die erste war, mich still und heimlich zu verdrücken und zu Hause zu verbarrikadieren. Die zweite war, der mehligen Mehlig und mir selbst zu beweisen, dass ich der Herausforderung durchaus gewachsen war und für jeden Betrieb eine Bereicherung darstellte. Ich entschied mich aus unerfindlichen Gründen für die zweite Möglichkeit, ignorierte das Pochen hinter meinen Augen und ging an die Arbeit. Zuerst räumte ich die Pflanzen von der Fensterbank und riss beide Fensterflügel auf. Zwar war es dadurch so laut, dass die D-Züge unmittelbar in meinem Kopf herumzufahren schienen, aber der muffige Geruch konnte entweichen. In einen leeren Karton sammelte ich die Colaflaschen und stellte sie vorerst auf dem Gang ab. Nachdem ich das raschelnde Laub vom Fußboden auf Papierbögen zusammengekehrt und in den Abfalleimer geleert hatte, machte ich mich mit der verstaubten Gießkanne auf die Suche nach Wasser.
Ich fragte das nette, sommersprossige Mädchen im Büro gegenüber, wo sich die Toiletten befänden.
»Ja, so was sollte man immer als Erstes wissen«, meinte die Sommersprossige und lächelte. »Wenn du möchtest, zeig' ich dir auch alles andere.«
So viel Freundlichkeit überwältigte mich beinahe. »Vielen Dank«, sagte ich gerührt.
»Ich heiße Stefanie«, stellte sie sich vor und hielt mir eine Tüte mit Fruchtgummitieren hin.
»Und ich Judith. Aber du kannst auch Frau Dings zu mir sagen wie die Mehlig«, sagte ich und nahm ein rotes Krokodil aus der Tüte. »Hast du nicht selber viel Arbeit?«
»Hier hat niemand viel Arbeit, außer dir vielleicht«, antwortete Stefanie und lachte. »Und auch das nur, weil in deinem Büro monatelang niemand mehr einen Handschlag getan hat.«
Ich glaubte ihr aufs Wort.
Eine halbe Stunde später wusste ich, wo sich Teeküche, Damentoilette, Kopierraum und Colaautomat befanden und war Stefanie unendlich dankbar. Der muffige
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