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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Geruch war fast aus meinem Büro verschwunden, als ich wiederkam. Sorgfältig tränkte ich die Pflanzen, zupfte die verwelkten Blätter aus dem Geäst und fühlte mich schon fast heimisch, als es an meine Tür klopfte und ein kräftiger Mann um die Vierzig eintrat.
    »Was ist denn hier los?«, rief er, eine Spur zu laut für meinen Kater.
    »Judith Raabe von Asche-Zeitarbeit«, sagte ich verlegen.
    »Frau Raabe, Sie scheinen Wunder vollbringen zu können«, rief der Mann und lächelte. »Mein Name ist Römer, Sie werden mit mir zusammenarbeiten. Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, fragen Sie ruhig.«
    Der Mann war mir sympathisch. Mutig deutete ich deshalb auf die Papierberge ringsrum und dann hinüber zu den Ordnern im Regal.
    »Das Ablagesystem habe ich noch nicht ganz durchschaut«, gab ich zu.
    »Dazu muss es hier irgendwo einen Aktenplan geben«, meinte der sympathische Herr Römer. »Den hat die gute Frau Meister irgendwo in den Schubladen versteckt. Wenn Sie den finden, wissen Sie ganz genau, in welchen Ordnern Sie was einzuordnen haben. Ich bin nebenan, wenn Sie mich brauchen.«
    Den Aktenplan fand ich tatsächlich in der Schublade. Besagte Frau Meister hatte zweihunderteinundsiebzig Ordner angelegt, die durch vier verschiedenfarbige Etiketten und einhundertzwanzig verschiedene Kennziffern zu unterscheiden waren. Ich machte mich daran, sie im Regal nach diesem System zu sortieren. Das war beinahe einfach und ging sogar ziemlich schnell. Alle anderen Gegenstände, wie Kisten, Kartons und Karteikästen, stapelte ich ohne System in die anderen Fächer. Trotzdem blieb immer noch Platz genug, einen Teil der Ablagehaufen vom Schreibtisch vorläufig ebenfalls im Regal unterzubringen. Dadurch kam ein kleines Häufchen besprochener Bänder auf der Schreibtischoberfläche zum Vorschein, die ich zu den anderen legte.
    Zusammen ergab sich daraus ein ziemlich großer Haufen Arbeit, der mich zwang, mich seufzend vor den Computer zu setzen und den Power-Knopf zu betätigen.
    Ein freundliches »Guten Morgen« erschien auf dem Bildschirm, und dann: »Bitte geben Sie Ihr Kennwort ein.«
    Ich erinnerte mich an Frau Mehligs Worte und zog die oberste Schublade auf. Das Kennwort war in einem Briefumschlag untergebracht und lautete »A-p-f-e-l«. Ich tippte es ein.
    »Es ist wieder einmal Zeit, das Kennwort zu erneuern«, stand auf dem Bildschirm. »Bitte geben Sie ein neues Kennwort ein und drücken Sie anschließend die Entertaste.«
    Ich überlegte eine Weile und schrieb dann »M-e-hl-i-g«.
    »Das Kennwort ist ungültig«, behauptete der Computer. »Bitte geben Sie ein neues Kennwort ein und drücken Sie anschließend die Entertaste.«
    »J-u-d-i-t-h«, schrieb ich und drückte die Entertaste.
    »Das Kennwort ist ungültig.«
    Verdammt. Vielleicht nahm er nur Früchte.
    »E-r-d-b-e-e-r-e.«
    Auch nichts. Oder er nahm nur Früchte mit A, wie A-n-a-n-a-s. Aber nichts tat sich. Mit zunehmender Verzweiflung versuchte ich es noch mit »R-ö-m-e-r«, »G-e-n-e-v-e-r« und »S-c-h-e-i-s-s-e«, aber der Computer blieb unerbittlich.
    Schließlich fragte ich die hilfreiche Stefanie von gegenüber um Rat.
    »Ah, Kennwortwechsel«, sagte sie und grinste. »Du kannst es nicht wissen, aber er akzeptiert nur Wörter mit fünf Buchstaben, die keinen Umlaut enthalten.«
    »H-i-l-f-e«, schrieb ich also beim nächsten Mal, und wie durch ein Wunder ließ der Computer mich endlich passieren.
    Alles Weitere war eigentlich einfach. Schreiben nach Tonband kannte ich schon aus der Versandfirma. Man musste sich Kopfhörer aufsetzen und das Kassettengerät mit Fußpedalen bedienen wie eine Nähmaschine.
    Ich fing gerade mit dem ersten Band an, als sich die Tür öffnete und jemand »Mahlzeit!« rief. Es war ein schmächtiges Männchen, dessen Schultern nur unwesentlich breiter waren als sein Kopf.
    »Sie sind sicher unsere neue Frau eh-eh?«, sagte es lächelnd und ergriff meine Hand, um sie ausgiebig zu schütteln.
    »Raabe, Judith Raabe«, sagte ich unbehaglich.
    »Freut mich wirklich, Sie kennen zu lernen, Frau eh-eh.«
    »Raabe«, wiederholte ich und versuchte, meine Hand zurückzuziehen.
    »Mein Name ist Schimmler-Kottenbrocke.«
    Herr - wie? Das schmächtige Männchen strich sich über seinen schütteren Vollbart und schüttelte weiter meine Hand.
    »Ich bin zuständig für den Bereich Religion und Gesellschaft. Sie werden für mich schreiben, Frau eh-eh.«
    »Raabe«, sagte ich zum dritten Mal.
    »Ich hoffe, wir werden gut miteinander

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