Maenner und andere Katastrophen - Roman
kaufen?«
»Ich bin kein Zwerg«, sagte ich gekränkt.
»Aber ein Speck«, beharrte Mo. »Kein Wunder, ich hab noch nie jemanden so schnell so viele Hackfleischbällchen verschlingen sehen.«
»Ich hatte Hunger«, verteidigte ich mich.
»Ja, das sagen Speckis immer. Seit du mit dem, dessen Namen nicht mehr genannt werden darf, Schluss hast, bist du doppelt so dick geworden.«
Er übertrieb natürlich maßlos, wie immer. Auf der anderen Seite war es tatsächlich schon ziemlich lange her, dass ich mich das letzte Mal gewogen hatte.
Zu Hause warf ich missmutig den Fernseher an und mich nachdenklich aufs Bett. Die Kirsch-Quark-Torte, die Unmengen von Hackbällchen, Baguette, kalten Pfannkuchen und besonders Mos Bemerkung über meine Figur lagen mir schwer im Magen.
Ein dicker Showmaster machte Werbung für einen Diätmatsch. Mitten in der Nacht. Er zeigte auf ein Bild von sich und sagte, dass er Deutschlands dickster Showmaster gewesen sei, bevor er mit dem Diätmatsch maßlos viel abgenommen habe. Auf dem Vorher-Foto trug er ein zu enges Hemd, jetzt verbarg er mit einem gut geschnittenen Blazer, was darunter war. Aber er sah entschieden fröhlicher und bunter aus als auf dem Schwarzweißfoto. Vielleicht hatte er tatsächlich abgenommen.
»Und Sie schaffen es auch!«, sagte er und schaute mir direkt ins Gesicht.
Ich zappte ihn weg. Wenn Deutschlands dickster Showmaster den Mut aufbrachte, seinem wahren Gewicht ins Auge zu sehen, konnte ich es auch. Ich stand auf und stellte mich sehr vorsichtig auf die Waage.
Mo hatte leider recht gehabt. Seit dem letzten Wiegen hatte ich sage und schreibe fünf Kilo zugenommen, das waren zehn Pfund, also zwanzig Päckchen Butter. Um es ganz genau zu wissen, zog ich die Unterwäsche und meine Haarspange aus, aber die Waage blieb bei der Buttermenge von vorher. Im Spiegel konnte ich die zwanzig Päckchen deutlich ausmachen, obwohl sie sich noch auf relativ gefällige Weise um meinen Körper verteilt hatten.
»Na gut«, sagte ich schließlich laut, »was Deutschlands dickster Showmaster schafft, schaffe ich auch.«
Ab morgen würde es nur noch Obst, Knäckebrot und Gymnastik geben.
Obsttag
Mit einem Haufen Obst und guter Vorsätze begann ich meinen ersten Diättag. Herr Römer hatte mir einen kleinen Stapel besprochener Bänder und die Nachricht auf dem Schreibtisch hinterlassen, dass er erst am nächsten Tag wieder im Büro sei. Das kam mir sehr entgegen.
Ich heftete einen Zettel, auf den ich mit großen Buchstaben »ICH BIN SATT« geschrieben hatte, vor mich an die Wand und begann, die Briefe in den Computer einzugeben. Dabei spürte ich förmlich, wie mein Körper mit dem Abbau der Fettzellen begann.
Bis zehn Uhr war es ganz einfach, nichts zu essen. Aber dann bekam ich Hunger. Ich versuchte, die Worte auf dem Zettel zu verinnerlichen.
»Ich bin satt! Ich bin satt«, sagte ich laut vor mich hin. Es half tatsächlich. Ungefähr drei Minuten lang. Dann begannen die Buchstaben vor meinen Augen zu verschwimmen, und ich war regelrecht gezwungen, die Frühstücksbanane aufzuessen. Dadurch wurde ich allerdings erst richtig hungrig. Um zehn nach zehn aß ich deshalb auch den Apfel, der als Zwischenmahlzeit eingeplant war, und um viertel nach zehn das Mittagessen, bestehend aus zwei Pfirsichen und einer Birne. Um zwanzig nach zehn war mein Obstkorb leer, aber der Hunger - oder was immer das jetzt noch sein konnte - raubte mir beinahe den Verstand. Ich wollte auf der Stelle etwas Salziges und Würziges essen und den dämlichen, verlogenen Zettel von der Wand reißen.
Glücklicherweise gelang es mir gerade noch rechtzeitig, mich zu bremsen, indem ich mir Mos Worte vom Vortag ins Gedächtnis rief, bevor ich mich zu einem Überfall auf den nächsten Supermarkt aufmachen konnte.
Stattdessen stattete ich Stefanie im Büro gegenüber einen Besuch ab. Wir verstanden uns wirklich gut, gingen mittags manchmal zusammen in der Kantine essen oder am Rhein spazieren und waren uns einig, dass Herr Schimmel-Kotzbrocken ein Kotzbrocken und die Mehlig mehlig war.
»Du siehst irgendwie somnolent aus«, meinte Stefanie, als ich in ihr Büro kam. »Um nicht zu sagen, soporös!«
Ich guckte verblüfft. »Ich nicht sprechen solches schweres Sprach«, sagte ich.
Stefanie lachte und bot mir Gummitiere aus der Tüte an, die ich ausnahmsweise ablehnte.
»Ich lese gerade in meinem Fremdwörterbuch unter S. Man kann wirklich viel daraus lernen«, erklärte sie. »Oder weißt du, was Servituten
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