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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Templeton
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liebestolles Bündel bin.
    Nick klappt einen Stuhl auf und stellt ihn hinter mich. Ich setze mich, starre auf die Skyline. Erstaunlich, wie anders die Dinge aus einer anderen Perspektive aussehen.
    Wir haben die ersten Runden verpasst. Jetzt aber sitzen wir alle atemlos da, eine sprühende Explosion nach der anderen erhellt die Nacht. Ich schaue zu den Kindern hinüber, die gebannt auf das Schauspiel starren, während ihre Mutter jeden einzelnen glitzernden Raketenstern mit einem kindischen „Ooooh!“ kommentiert. Ich muss lachen, fühle mich gut. Dann spüre ich Nicks Blick auf meinem Gesicht und fühle mich anders. Gut, und auch wieder nicht gut. Verängstigt, aber auch nicht.
    Er beugt sich hinüber und nimmt meine Hand.
    Nie zuvor im Leben habe ich so viel Frieden und Furcht zur gleichen Zeit verspürt.
    Nie zuvor im Leben war ich so erregt, obwohl ich wusste, dass ich nicht einmal das geringste Interesse verspüren sollte.
    Nie zuvor im Leben war ich mir so sicher, dass ich mich zum Narren mache.
    Und nie habe ich mich mehr darauf gefreut.
    Der kleinste Wojowodski ist bereits eingeschlafen, als das Feuerwerk zu Ende geht. Mit der Effizienz von Feldwebeln befehligen Paula und Frank die restliche Armee und treiben sie die Treppe hinunter ins Bett. Nick nimmt einen seiner Neffen auf den Arm, um den Exodus zu unterstützen, und gibt mir wortlos zu verstehen, dass ich mich nicht von der Stelle rühren soll.
    Als ob ich eine Wahl hätte. Ich bin völlig ausgelaugt, körperlich und seelisch. Kann mich nicht bewegen, kann nicht denken und will es auch nicht. Ein Windhauch tanzt auf meiner Haut, durchdrungen von einem entfernten Geruch nach Schießpulver, der mir Tränen in die Augen treibt. Ich kann das Gemurmel von Nachbardächern hören, Stühlerücken, Gelächter und wie jemand einen verbotenen Knallfrosch anzündet. Ich hebe das Glas an die Lippen, von dem ich schon den ganzen Abend trinke, und verziehe das Gesicht, weil der Wein so sauer schmeckt.
    Nicks Schritte hinter mir senden einen Schauer durch meinen Körper. Ich spüre, dass er um meinen Stuhl läuft, sehe dann, wie er sich gegen die niedrige Mauer lehnt, die Hände in die Hüften gestemmt. Ich hole einmal tief Luft – ihn dort stehen zu sehen, lässt mein Herz loshämmern, mein Mund wird trocken. Und nein, es handelt sich nicht um Begehren, sondern um Höhenangst.
    „Ist was nicht in Ordnung?“ fragt er.
    „Du. Das Dach. Und Bilder von etwas, das auf dem Bürgersteig zerplatscht.“
    Der Mond ist halb voll, ich kann nur Nicks Silhouette erkennen, aber sein Lächeln leuchtet in der Dunkelheit. Die Nachbarn sind alle in ihre Häuser gegangen. Stille liegt über der Gegend.
    „Hier kann gar nichts passieren“, sagt er. „Komm her.“
    Ich schüttle den Kopf. Er lacht.
    „Angsthase“, sagt er leise, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir nicht mehr über das Dach sprechen.
    „Da hast du verdammt Recht.“
    „Komm her“, sagt er wieder. Herausfordernd. Drohend.
    Ich weiß, was passieren wird, wenn ich zu ihm gehe. Ich weiß, dass ich die Kontrolle darüber habe, dass ich entscheiden kann, was passieren wird – oder nicht passieren wird.
    Aber was weiß ich schon von diesem Mann? Oder, was das betrifft, er von mir? Wir sind kaum mehr als gute Bekannte, obwohl ich glaube, dass wir Freunde sein könnten, auf eine merkwürdige Art und Weise. Ich mag ihn wirklich. Ich glaube, ich vertraue ihm sogar. Allerdings nicht seiner Behauptung, er wolle nur Freundschaft von mir. Sie sollten nicht glauben, dass ich ihm das noch abnehme. Und ich weiß auch nicht mehr, ob ich das überhaupt will. So wie ich mich gerade fühle, wohl eher nicht, denn ich würde diesen Mann am liebsten bei lebendigem Leibe verspeisen.
    Lassen Sie uns ein paar Sekunden innehalten.
    Woran liegt das nur, dass Nicky Wojowodski immer in mein Leben tritt, wenn ich am verletzlichsten bin und etwas brauche, das mein Ego wieder aufbaut? Natürlich bin ich immer mehr als bereit, es ihn aufbauen zu lassen. Zum Teufel, er kann aufbauen, was immer er will.
    Wissen Sie, dabei sollten wir uns eigentlich mal unterhalten. So wie an diesem Abend, als er das chinesische Essen vorbeigebracht hat (ist das wirklich erst ein paar Wochen her?). Ich meine, es gibt zumindest die entfernte Chance, dass dieser heiße Blick, den ich in dem fahlen Mondlicht kaum erkennen kann, einen völlig anderen Grund hat. Welchen, kann ich mir nicht vorstellen, denn bisher bedeutete so ein Blick bei einem Mann immer:

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