Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maenner weinen nicht

Maenner weinen nicht

Titel: Maenner weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanz Loeffler
Vom Netzwerk:
sein, sodass Männer zu besonders rabiaten Methoden greifen«, erklärt Lindner. Sie wählen deshalb ganz häufig den Strick oder das Gewehr, gehen auf die Gleise oder stürzen sich irgendwo herunter.
    Am meisten gefährdet für die letzte Tat sind alte Männer, ohne Beziehung, vereinsamt, verwitwet und mit einem Alkoholproblem. Nicht selten mussten sie in den letzten Jahren eine Reihe von Verlusten verkraften: Die Kinder verlassen das Haus, die Firma schickt sie in Rente, die Partnerin muss ins Pflegeheim, die körperlichen und geistigen Kräfte schwinden. Jeder Mensch hat ein anderes Empfinden dafür, wann das Maß voll ist, wie Lindner aus Interviews mit Überlebenden weiß. Krankheit, Einsamkeit und die Angst, im Pflegeheim unter entwürdigenden Lebensbedingungen zu enden – diese Erfahrungen möchten sich viele Alte ersparen. Das Fatale: Noch viel häufiger als jüngere Männer halten sie ihren Todeswunsch geheim. Für Angehörige und medizinisches Fachpersonal ist es daher fast unmöglich, sie davon abzuhalten.
    Auf der anderen Seite wirkt die Familie durchaus präventiv: »Neben der Therapie hindert eine intensive menschliche Bindung die Leute am ehesten daran, sich umzubringen«, sagt Lindner. Viele Suizidversuche finden also gar nicht erst statt, weil die Kinder oder andere enge Angehörige nicht leiden sollen.
    Familiäre Bindungen allein reichen auf Dauer jedoch nicht aus: Sieht jemand den Suizid als einzige Lösung für seine Probleme, braucht er dringend therapeutische Unterstützung. In den Gesprächen mit einem Arzt oder Psychologen kann der Patient verstehen, warum er in bestimmten Situationen derart in die Enge gerät, dass anscheinend der Tod die einzige Lösung ist. Und auch wenn es im Moment schwerfällt, andere Lösungen für die persönlichen Angelegenheiten zu sehen, bedeutet das noch lange nicht, dass es keine gibt. Gemeinsam mit dem Therapeuten lassen sie sich neu entdecken. Dieser verteilt dabei keine Ratschläge oder billigen Lebensweisheiten, sondern hört verstehend zu – und zwar als unabhängige Instanz.
    »Entscheidend für eine Genesung ist die therapeutische Beziehung, durch die der Patient im Gespräch mit dem Psychotherapeuten neue, anders geartete Erfahrungen macht, als er das bisher getan hat«, sagt Lindner. Denn Patienten handeln im Gespräch mit dem Therapeuten nach den gleichen Mustern, wie sie auch andere wichtige Beziehungen in ihrem Leben gestalten. Der Psychotherapeut nimmt diese unbewussten Muster wahr, verhält sich aber nicht so, wie es die Patienten erwarten, sondern so, dass neue Erfahrungen möglich werden: Vertrauen, wo eigentlich Misstrauen vorherrscht, Verständnis, wo man erwartet, dass die eigenen Gefühle von niemandem verstanden werden, Angenommensein, wo man befürchtet, bei niemandem landen zu können.
    Für den Moment mag es dem Betroffenen so vorkommen, als ob dieser düstere, hoffnungslose Zustand kein Ende nimmt. Doch beim Rückblick auf das eigene Leben, im Gespräch mit anderen Patienten oder dem Therapeuten wird er feststellen, dass Krisensituationen nicht ewig andauern. Vielleicht kann es gelingen, darauf zu vertrauen, dass die unerträgliche quälende Zeit ein Ende haben wird.
    Der erste Schritt aus dieser Lebenskrise ist es, über die eigenen Gedanken und Gefühle zu sprechen. Mit wem, ist egal: die anonyme Telefonseelsorge, der Pfarrer in der Nachbarschaft oder ein guter Freund – Hauptsache, es passiert überhaupt. Der zweite Schritt ist, sich kompetente psychotherapeutische Hilfe zu suchen.
    Was Angehörige tun können
    Als Angehöriger eines depressiven Menschen werden Sie sich mitunter fragen, ob und was Sie tun können, um einen möglichen Suizid abzuwenden. Das Wichtigste zuerst: Wenn jemand aus dem Leben scheiden möchte, werden Sie ihn nicht davon abhalten können – denn er wird sich seine Gedanken nicht anmerken lassen. Manchen Depressiven gelingt es perfekt, ihre Umwelt bezüglich ihres eigentlichen psychischen Zustands zu täuschen: Robert Enke beispielsweise hatte nicht nur seine Frau, sondern auch seinen Psychotherapeuten davon überzeugt, dass es ihm besser ging. In seinem Abschiedsbrief beschrieb er, dass diese Täuschung notwendig gewesen sei, um seine Suizidpläne zu verfolgen.
    So gibt es zwar verschiedene Hinweise, aber keine sichere Methode, um Suizidalität rechtzeitig zu erkennen und einem Suizid zuvorzukommen. Die Signale können ganz unterschiedlich sein: Verzweiflung, Gereiztheit, Aggressivität sind genauso möglich

Weitere Kostenlose Bücher